Salzburger Nachrichten am 28. Oktober 2005 - Bereich: Kultur
Komplexe Weltsicht

Matt Mullican im Linzer Kunstmuseum Lentos

KARL HARBLINZ (SN). Als "Versuch einer Systematisierung unserer Fragen an die Welt" klassifizierte Stella Rollig, die Direktorin des Linzer Kunstmuseums Lentos, in der vergangenen Woche bei der Vorbesichtigung der Ausstellung "Matt Mullican - model architecture" das Werk des amerikanischen Multimedia-Künstlers. Ihm ist bis 19. Februar 2006 im großen Saal eine komplexe und für den uneingeweihten Betrachter komplizierte Werkschau gewidmet.

Mullican entwickelt mit großer Konsequenz eine "Fünf-Welten-Theorie". Sie führt von der "reinen Materie" (physical elements) über die Gegenstandswelt, die Künste, die Welt der Zeichen und Begriffe zum "subjective meaning". Jeder Welt ordnet Mullican modellhaft visuelle Symbole zu: Kugel und Würfel in signalhaften Farben: Rot, Gelb, Blau, Grün und Schwarz.

Wer das Glück hat, mit Mullican selbst durch diese Zeichenwelt zu gehen (die bei der Vorbesichtigung allerdings noch sehr lückenhaft aufgebaut war), wird einen blendenden Geschichtenerzähler erleben. Auf sich allein gestellt, wird der Betrachter mit den Modellen und Versuchsanordnungen allerdings wohl wenig anfangen können. Mullicans Kunst ist ohne ein erklärendes Bezugssystem nicht erlebbar.

Im Zentrum der Linzer Präsentation steht der Nachbau einer großen Installation für das Ludwig-Museum in Köln: ein Raumlabyrinth mit Zeichnungen, Schriftbildern, Collagen und Objekten, die durch Mulli-cans Lebens-System führt und in Chiffren und raumhohen "Beschreibungen" erzählt, was der Künstler im Zustand der Trance erlebt hat. "Learning from that persons work" ist ein Bewusstseins-parcours, eine nach außen transportierte Innensicht, die als ästhetisches Phänomen, quasi als Ausstellung im Raum, wahrgenommen, aber schwer "durchdacht" werden kann.

Matt Mullicans Werk radikalisiert somit herkömmliche museale Sichtweisen. Und verschärft damit vielleicht in Linz sogar noch den schwelenden Konflikt mangelnder Publikumsattraktivität. Stella Rollig pokert kompromisslos weiter hoch.Informationen: www.lentos.at