Hofmann: Die Moderne im Rückspiegel
Berühmte Rezensenten haben dem "Lesebuch" des 1928 in Wien
geborenen Autors bereits Hymnen gewidmet, die es auch verdient. Beginnend
mit "Das irdische Paradies" über "Grundlagen der modernen Kunst", seinem
Werk über die Karikatur, zahlreichen bahnbrechenden Aufsätzen wie "Ars
Combinatoria" bis zu "Das entzweite Jahrhundert" in der Reihe "Universum
der Kunst" von Malraux hat Werner Hofmann für die Kunstgeschichte
unentbehrliche Grundlagenliteratur geschaffen. Von Ursula Pasterk wurde er
im Frühjahr bei einer Feier in seiner ehemaligen Wirkungsstätte Albertina
als der heute wichtigste Vertreter und Erbe der großen Wiener Schule der
Kunstgeschichte angesprochen, wobei als geistige Vorfahren vor allem
Dvorák, Schlosser und Sedlmayr gemeint sind.
In seinem heuer bei C. H. Beck
in München erschienen Buch über die Moderne schlägt er den Bogen von
der Gegenwartskunst zurück ins Mittelalter und findet über die
"negative Theologie", das "Mehrfeldbild" (Hofstätter) und die
Polyfokalität gewagte Vergleiche zwischen den Zeiten: So findet der
mittelalterliche Reliquienschrein und seine Rauminstallierung ihre
profane Wiederkehr in den "Ready-mades" von Duchamp und
Nachfolge.
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In seinem heuer bei C. H. Beck in München erschienen Buch über die
Moderne schlägt er den Bogen von der Gegenwartskunst zurück ins
Mittelalter und findet über die "negative Theologie", das "Mehrfeldbild"
(Hofstätter) und die Polyfokalität gewagte Vergleiche zwischen den Zeiten:
So findet der mittelalterliche Reliquienschrein und seine
Rauminstallierung ihre profane Wiederkehr in den "Ready-mades" von Duchamp
und Nachfolge. Die vom Autor selbst als "Lesebuch" bezeichnete Schrift
kann allerdings nur für Eingeweihte des Faches, der Kunst und seiner
vorangehenden Thesen als solches bezeichnet werden, wenngleich auch für
Quereinsteiger der spannende und essayistische Charakter das Gefühl gibt,
das Buch eines jungen Wissenschafters vor sich zu haben, für den das
Wagnis und die Intensität, mit der scheinbar festgefahrene Erkenntnisse
der Kunstgeschichte umgestoßen werden, typischer sind als in einem
"Alterswerk". Es gibt keine Anzeichen von "Anpassung" in seinem dem
künstlerischen sehr nahestehenden Blick, der sich auch von scheinbar
neuen, nur modischen Methoden nicht verführen läßt, den starken Bezug zur
Opulenz eines Kunstwerks durch Sprache zu ersetzen. Zu sehr sind die
früheren Ausstellungszyklen des Hamburger Museums, dessen Direktor er bis
vor einigen Jahren war, · also die Praxis im Umgang mit Kunst ·
integriert, auch wenn es nun zu der weiteren Stufe des rein
"kunstphilosophisch anspruchsvollen" Schreibens gekommen ist.
Ausgangspunkt und vielleicht auch lange gehortete Anregung zu dem Buch
ist Schlossers 1901 dargelegte Erkenntnis, die Kunst seiner Zeit steuere
auf ein neues Mittelalter zu. Dazu entdeckte Hofmann den gebrochenen
Spiegel als Synonym für die Kunstwerke der Moderne in Bayreuths Altem
Schloß und dessen chinesischem Spiegelkabinett von zirka 1750.
Dieses Datum ist als Beginn der
Epoche der Moderne schon in früheren Werken des Autors festgelegt
worden. Damit sind die alten Zeitbegriffe der Kunstgeschichte nicht
mehr gültig, selbst die Propagierung eines Endes des Fachs
verworfen, die Pfade und Querverweise verschoben, die Festlegung von
Stilen ohne ihr "Doppelleben" (Goethe)
unmöglich. |
Dieses Datum ist als Beginn der Epoche der Moderne schon in früheren
Werken des Autors festgelegt worden. Damit sind die alten Zeitbegriffe der
Kunstgeschichte nicht mehr gültig, selbst die Propagierung eines Endes des
Fachs verworfen, die Pfade und Querverweise verschoben, die Festlegung von
Stilen ohne ihr "Doppelleben" (Goethe) unmöglich. Im neuen
Scherenschnittprinzip werden Vergleiche aus Mittelalter, Manierismus und
Moderne wie die Regelbrecher von Goya, Ingres über Füßli, Runge bis ins
20. Jahrhundert und den "neuen Medien" verknüpft. Bisher
Benachteiligte der Kunstgeschichte und Literatur gelangen zu neuem Ruhm.
Die lange Ausgrenzung polyfokaler Phänomene, das Festhalten an der
Forschung über die Kunst vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, die der Illusion
der Zentralperspektive folgt, die Beruhigungs- und Nivellierungsversuche
von gegenläufiger Kunst durch museale Ordung ist in der Kunstgeschichte
von Warburg, Panofsky und dem Russen Pawel Florinski bereits als
"Reduktionsformel" empfunden worden. Doch ist der methodisch der Moderne
gerecht werdende Zweig der Kunstgeschichte zum Teil noch immer nicht in
"Fleisch und Blut" übergegangen, was klar macht, wie hartnäckig sich
Denkstrukturen als wandlungsunfähig zeigen. Für Werner Hofmann ist die
Moderne nun schon längst in ihre "alexandrinische" Phase von
Musealisierung, Verwissenschaftlichung und Institutionalisierung geraten ·
er tritt aber gegen die Beruhigung und für eine Verlebendigung an: Kein
Grund also, vor seiner umstürzlerischen Kunstwissenschaft Angst zu haben!
Hofmann, Werner: Die Moderne im Rückspiegel.
Hauptwege der Kunstgeschichte. Verlag C. H. Beck München 1998, 399
Seiten
Erschienen am: 08.01.1999 |
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