11.02.2003 17:29
Ein unterhaltsames Kunstprodukt
"Nackt & Mobil" in der Sammlung Essl: Elke Krystufek hat das Handwerk
der Popmusik bis hin zur Meisterschaft erlernt
Elke Krystufek hat - ausgezeichnet produziert von ihrem
Wiener Galeristen Georg Kargl - das Handwerk der Popmusik bis hin zur
Meisterschaft erlernt: Die umfassende Zusammenschau "Nackt & Mobil" in der
Sammlung Essl zeigt, was bisher geschah.
Klosterneuburg - Elke Krystufek fertigt multimediale Collagen, deren
Hauptgegenstand Elke Krystufek ist. Derart erschreibt sie sich seit Anfang der
90er-Jahre ungemein erfolgreich einen Platz in unserem visuellen Gedächtnis. In
der Sammlung Essl zeigt sie nun in einer ersten umfassenden Zusammenschau, was
bisher geschah: Nackt und mobil verlief der Werdegang des unterhaltsamen
Kunstproduktes - ungewöhnlich genug, um Aufmerksamkeit zu erregen, konservativ
genug, um weithin fassbar zu bleiben. Elke Krystufek veröffentlicht ihr
Innenleben, stellt Privates zur Schau, schreckt dabei auch vor Intimstem nicht
zurück. Und behauptet, es wäre gar nicht sie, es wären gar nicht ihre Blößen, es
wären doch alles nur mögliche Erscheinungsformen ihres Körpers, Varianten
dessen, was diesem alles so zustoßen kann. Und behauptet, sie nutze ihren Körper
als Material, Kunst zu machen.
Professionelle Kunst, eine Art
Lindenstraße für Erwachsene. Voll der Banalitäten des Alltags, der Wechselfälle
des Lebens, der Deftigkeit der Herrenzimmer, der Obszönitäten, welche wahlweise
die Macht oder die Ohnmacht hervorruft, der Deformationen, die man davonträgt,
wenn man sich unter die Leute mischt - was sich ja nun wieder nicht vermeiden
lässt. In Wirklichkeit interessiert das alles natürlich keinen. Als Foto oder
Film aber, als Bild im Rahmen, ausgezeichnet mit vorzüglichem Marktwert,
drastisch und trotzdem keimfrei, lässt sich damit gut Freizeit verbringen. So
wie man eben mit Mutter Beimer gut mitleiden kann, weil die einem letztlich mit
ihren Nöten nicht auf die Brieftasche fällt, weil die nicht anruft und auch
nicht riecht.
Und also liefert auch Elke Krystufek staffelweise Soap.
Überschüttet uns mit all dem, was uns sowieso überschüttet. Und wir erfreuen uns
der Tatsache, dass der tägliche Terror, wenn er von ihr kommt, keine
Konsequenzen nach sich zieht. Völlig folgenlos können wir teilhaben, wenn Elke
blutet, masturbiert oder sich langweilt. Ruhigen Gewissens können wir uns daran
erfreuen, in welchen auch nur erdenklichen Stellungen sie nackt sein kann, und
können auch, vom Wohnzimmer aus, mit ihr die Welt bereisen.
Und noch
etwas: Nicht nur, dass die Krystufek-Show "XXX-rated" ist, sie hat auch Niveau.
Man kann dabei recht gut den unstillbaren Hang zum Sein als Bildungsbürger
ausleben. Mit Gleichgesinnten wetteifern, wie lange sich Assoziationsketten in
einer der Collagen zurückverfolgen lassen. Da blickt etwa Lou Reed unnahbar
streng von einem Plakat, und daneben steht die Elke - schon wieder neu gestylt!
- und lacht. Und dann kann man schon los_legen und erzählen: dass das Plakat von
Stefan Sagmeister entworfen wurde, einem Österreicher, der es in Amerika und
also überall geschafft hat, damit berühmt zu werden, sich die Werbebotschaft in
den Leib zu ritzen; und Elke schließlich auch schon öffentlich - womöglich auch
privat!? - an sich rumgeschnitten hat. Und natürlich erkennt man im Collagenwerk
allerlei andere Künstler, Marken, Celebrities wieder, kann anhand der
Bild-Abfälle, Posen und Wortfetzen gut über Feminismus und Pop-Art, über
Bilderflut und Bildverlust, über Liebe und Ausbeutung, die Dritte Welt und
Kaufrausch diskutieren. Oder bloß über Sinn und Unsinn der Intimrasur. Oder über
Achselhaare. Oder rechtsradikale Kalifornier beim Gruppensex.
Die
Erfolgsformel
Elke Krystufek hat - ausgezeichnet produziert von ihrem
Wiener Galeristen Georg Kargl - das Handwerk der Popmusik bis hin zur
Meisterschaft erlernt. Und jetzt, wo sie ihre Erfolgsformel gefunden hat, wird
sie noch einige "Alben" lang fortfahren, ihrer Materialsammlung neue
Kombinationen, ihrem Körper neue Posen abzuringen. Und natürlich wird sie uns
immer wieder überraschen, so wie jetzt mit neuen Landschaftsbildern ganz ohne
Elke mittendrin.
Und wir können nur hoffen, dass sie sich nicht eines
Tages zurückzieht und schweigt. Weil: Wie jeder echte Star spricht sie - unter
Freunden - oft davon, wie müde sie ist, wie sehr ihr das Stehen im Rampenlicht
an die Substanz geht. Jedenfalls aber ist zur Ausstellung ein Prachtband
erschienen, eine Autobiografie vom Feinsten: mit Außen- und Innenaufnahmen, mit
feinsinnigen Worten, mit treffend gewählten Zitaten. Ein Buch zum Auf- und
Erregen, zum Nachdenken und Freude-
schenken, ein Ratgeber in Stil- wie
Moralfragen. Und, das Wichtigste: ein Buch, das sich nicht festlegt. (DER
STANDARD, Printausgabe, 12.2.2003)