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Kunstberichte
Bawag Contemporary am Franz Josefs Kai zeigt Zerbrechliches von Sonia Leimer

Überflüssige Kunst rostet

Sonia Leimers 
"Locations" (2010, Videostill) erzählt eine Geschichte über 
Raum und Material. Foto: Galerie Nächst St. Stephan/Rosemarie 
Schwarzwälder

Sonia Leimers "Locations" (2010, Videostill) erzählt eine Geschichte über Raum und Material. Foto: Galerie Nächst St. Stephan/Rosemarie Schwarzwälder

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Sonia Leimer studierte Architektur und Kulturwissenschaften in Wien, entschied sich aber gegen das Bauen und für künstlerische Denkräume, in denen Verlorenes, überflüssiges Material und ständig wechselnde Schauplätze Themenkreise bilden. Seit einigen Jahren wird sie mit Preisen und Stipendien überhäuft – ihre Ausstellung "Neither in motion nor at rest" bestätigt den rasanten Aufstieg.

Die Südtirolerin schafft mit teils minimalen Eingriffen, die zweite Ausstellung im neuen Bawag Contemporary zu einer vielschichtigen Erinnerungsskulptur zu gestalten.

Vor Ort war der ehemalige Schauraum der Fliesenfirma Schwadron um 1900, dessen Reste eines Kachelbodens der Umbau zu Tage förderte. Sie sind wie ein Marmorteil des Bodens der nahen Postsparkasse in eine Boden skulptur eingebaut. Das Eintreten in Materialfelder, zusätzlich aus Stahl, Laminat und Schotter, erzeugt Geräusche, die wie in Filmen aus einem Soundstudio stammen. Film als vergängliches Zelluloid bildet eine Ebene der Frage nach dem Material in den komplexen Arbeiten.

Filme, anders gesehen

"Backlot" und "No site to fall in" sehen Film anders: Bei Ersterem geht es um Orte der Vorproduktion von Filmen, die Moskau in ein Fitnesscenter oder ein Museum versetzen, die zweite Arbeit zeigt nicht verwendetes Restfilmmaterial aus San Rafael Swell in Utah, einem Ort für Science Fiction-Filme und der Wissenschaft, die Leben auf dem Mars erprobt. Leimer verbindet den Film mit einem Architekturfragment dieser Probestation. Dieses Fragment wird zum unklaren Zwitter einer Satellitenschüssel und eines Kunstwerks.

Daneben bleibt das Material wichtiges Thema mit Siebdruckaufnahmen des Planeten aus den 60er Jahren auf Panox-Kevlar, das für Marsanzüge verwendet wird. Im Keller tauchen nicht nur Kacheln der Firma Schwadron auf Fotos noch einmal auf, sondern "Locations" erzählt eine besondere Geschichte von Raum, Material und Kunst. Richard Serras Stahl skulptur "Tilted Arc" wurde von der New York Federal Plaza 1989 abtransportiert und lagert nun in einem Depot für Kunst im öffentlichen Raum gemeinsam mit dem Werk "Location" von Rudolf Heintze aus dem Jahr 1977. Serra sieht sein Kunstwerk zurückverwandelt in Material, die Vermischung kommentiert Heintze in einem Brief an die Künstlerin, der an der Wand abgedruckt ist. Seine Stahlrohrskulptur war wie die Serras interaktiv, begehbar und das Material war in seiner physischen Präsenz wichtig, weil es noch als "untypisch" für Kunst galt.

Die zweite Wand lässt Leimer daher als Bogen schwingen, sie wurde 1977 in Meran geboren, daher sind Postminimalismus und Recherche der neuen künstlerischen Forschung, Film und Performance im Sinne der Materialanalyse des "Expanded Cinema" Valie Exports und Peter Weibels besonders reflektiert vereint in "Locations".

Leimers Wahl ihres Ausstellungstitels mit Unklarheit der Aussage bezieht sich auf ihre Zusammenschlüsse der Nebenwege, die sie wie sich ständig ändernde Schauplätze anziehen. Das Crashglas ihrer Skulptur "On Location" steht vor der erhaltenen Wandarbeit Mike Bouchets von der ersten Schau im neuen Bawag Contemporary Kunstraum. So erinnern wir uns mit Leimer an ein weiteres Gedankenfeld.

Aufzählung Ausstellung

Sonia Leimer. Neither in motion nor at rest
Brigitte Huck (Kuratorin)
Bawag Contemporary
bis 25. August

Printausgabe vom Freitag, 16. Juli 2010
Online seit: Donnerstag, 15. Juli 2010 18:49:00

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