Das Linzer Museum Nordico präsentiert die europäische Kulturhauptstadt als "Stadt im Glück"
Spiegelei und Stahlstadtkinder
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Stadtgeschichte, häuslich verortet: Das Museum Nordico thematisiert die NS-Zeit in der "Rumpelkammer". Foto: Linz09
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Von Julia Urbanek
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Von "In Linz, da stinkt’s" über den beliebten Reim von "Linz" auf
"Provinz" bis zu Marketing-Slogans wie "Eine Stadt lebt auf" und "Linz
verändert": Die Zitate im Stiegenaufgang sollen einen Aufstieg
symbolisieren – von den Stigmata der Patenstadt des "Führers" und der
stinkenden Smogmetropole zur Kulturhauptstadt und bis zur "Stadt des
Glücks". So heißt auch die Ausstellung, die im Stadtmuseum Nordico
Gegenwartsnostalgiker anzieht: Die Schau widmet sich den vergangenen 30
Jahren und dabei vielen Ereignissen der jüngsten Zeit.
Die wird aber nicht als selbstinszenierende Erfolgsstory
präsentiert, sondern in all ihren Widersprüchlichkeiten. Der Grundriss
zur Stadtidentität ist dabei der einer Wohnung, durch die der Besucher
spaziert: Das Wohnzimmer im 70er-Stil setzt sich mit Stadtmythen
auseinander, das Schlafzimmer mit Migration und den vielen
Nationalitäten, die in Linz miteinander leben. Immer wieder erzählen
Zeitungsausschnitte von den großen und kleinen Skandalen, die die Stadt
hervorbrachte: wie dem Kopftuchstreit an Linzer Schulen, dem
Polizistentod durch Hooligans in der Linzer Altstadt, der heftigen
Diskussion zur Privatisierung der Voest. Die
Voestalpine als Arbeitgeber und identitätsstiftender Faktor ist in
so manchem Raum wie dem Arbeitszimmer Thema; der Konzernbetriebsrat des
Stahlunternehmens ist neben Linz09 und dem Nordico merklicher dritter
Kooperationspartner.
"Der sauberste Arsch"
Dass Linz keine miefige Industriestadt mehr ist, sondern
mittlerweile manchem Bewohner bereits zu sauber, wird im Badezimmer
erzählt, das in Anspielung auf einen "Spiegel"-Artikel die Unterthese
"Linz hat den saubersten Arsch der Welt" trägt. Rund um ein Heer aus
WC-Bürsten und eine mächtige Wand aus Aliberts wird neben dem deftigen
Artikel über den Rapper Bushido und der Stadtkampagne der frühen 90er
Jahre ein Kunstposter gezeigt, das sich mit dem Statement des
SPÖ-Bürgermeisters Franz Hillinger zum Thema Feinstaub
auseinandersetzt: "In der Sahara staubt’s auch".
Die Gestaltung macht den besonderen Reiz dieser Schau aus: Die
Thesen und Beispiele des Kuratorenteams aus Kultur- und
Sozialwissenschaftern werden nicht chronologisch heruntergebetet,
sondern wie Schlaglichter in wild eingerichteten Zimmern präsentiert.
"Wir wollten die Stadt in ihrer Mannigfaltigkeit zeigen", erklärt Lydia
Thanner vom Institut LiquA bei einem Rundgang durch die Schau. So birgt
die Küche, der Kulturhauptstadt-Raum, just auf dem Boden ein
Riesen-Spiegelei, das dem Linz09-Symbol ähnelt, auch das Rundherum
befasst sich kritisch mit dem aktuellen Jubeljahr. Im Durchgangszimmer
wird das Pendeln zwischen Stadt und Land thematisiert, in der strahlend
weißen "Rumpelkammer" beschäftigt man sich mit der NS-Vergangenheit der
Stadt.
Stadtheld Cobain
Im Jugendzimmer der "Stahlstadtkinder" ist Kurt Cobain der Star: Der
Auftritt seiner Gruppe Nirvana im Kulturverein Kapu 1989 ist
mittlerweile ein legendäres Ereignis. Neben dem Ankündigungsflyer
erzählt eine ganze Plakatwand die Geschichte der alternativen
Musikszene in Linz. Eine Stadt im Glück braucht auch neue Zitate: Mehr
als 20 Jahre nach Thomas Bernhards Satz "In Linz geboren, allein das
ist ein fürchterlicher Gedanke" wurden mehr als 100 Interviewpartner zu
ihren Linz-Assoziationen befragt – die Ergebnisse sind auf Bildschirmen
in jedem Raum nachzuhören.
Ausstellung
Linz. Stadt im Glück.
Stadtmuseum Nordico Dametzstraße 23 4020 Linz http://www.nordico.at Bis 13. September
Printausgabe vom Samstag, 06. Juni 2009
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