Der Architekt Adolf Krischanitz will mit politischen Kampfansagen den Linzer Altstadt-Prospekt zerstören
NS-Entsühnung mit Architekten-Segen
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Linzer Hauptplatz mit Blick auf die Nibelungenbrücke und zwei der
geplanten Dachaufbauten (li). Linzer Altstadt am Donauufer mit
Lichttürmen über dem Brückenkopf (m.). Fassaden nach Hitlers Wunsch,
stilistisch näher bei Italien als bei Berlin. Foto: BIG,
Krischanitz/Hans Haider
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Von Hans Haider
![Aufzählung Aufzählung](00084460-Dateien/wzfeld.gif)
"Dass ihr in Linz gerne ein Nazi-Denkmal habt, ist ein Wahnsinn",
schimpft der Wiener Architekt Adolf Krischanitz die Kritiker seines
Plans, auf die Brückenkopfgebäude an der Nibelungenbrücke vier zehn
Meter hohe Glaskuben zu setzen. Er hat einen Wettbewerb gewonnen, zu
dem die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) im Auftrag der Linzer
Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung eingeladen
hat. Im selben Interview (OÖ Nachrichten) bekannt er: "Die Kunst-Uni
würde auch ohne diese Aufbauten auskommen. Aber auf diesem Gebäude ist
ein Zeichen sinnvoll."
Was meint wohl der vom Wiener Kollegen
Manfred Nehrer als Juryvorsitzendem zum Sieger gekrönte Baukünstler?
Selbstverwirklichung zu Lasten des Stadtbilds und des Denkmalschutzes.
Familiäre Vergangenheitsbewältigung? Adolf K. wurde 1946 geboren. Oder
die "Entsühnung" eines ordentlichen Bauwerks zweifelhafter Herkunft
durch Handauflegung heutiger Guru-Kunst? Können das Architektenhände?
Immerhin ließen sich mit den faktisch unnötigen "Zeichen" die
Baukosten von 17,4 auf 19,2 Millionen Euro hinaufschrauben. Als was
wären diese Lichttürme, die der eifernde Antifaschist in den Linzer
Donauprospekt knallen will, einem Fremden zu erklären? Als Spiegelbild
von Hitlers Größenwahn?
Von der Urfahrer Seite gleitet heute der Blick in schöner Harmonie
vom Schloss über den zentralen Brückenkopf und das Lentos-Museum
entlang donauabwärts. Der beste Aussichtspunkt ist Obergeschoss des
Ars-Electronica-Centers auf der Nordseite der Nibelungenbrücke. Dieses
Kunsthaus wurde zum Kulturhauptstadtjahr großzügig erweitert und wird
bleiben, wenn die mobilen Kulturmenschen schon in Istanbul, Europas
Kulturhauptstadt 2010, vom Galata-Turm hinunter auf das Goldene Horn
und den Bosporus schauen.
Stadtbefestigungen
Nachdem sich die Linzer Landstraße zum Hauptplatz öffnet, fangen die
symmetrischen Brückenkopfbauten den Platzraum wider zusammen. Ein
Memento an alte Stadtbefestigungen, doch ein einladend breites Tor in
ein neues Linz (das sich am Urfahrer Ufer mit dem Neuen Rathaus ein
klägliches architektonisches Monument zementiert hat).
Schon um 1930 planten die Architekten Hans Arndt und Paul Theer
einen torartigen Platzabschluss. Die neuen Brückennormen des
Rhein-Main-Donau-Wasserwegs erforderten rasche Reaktionen. Die Linzer
waren schon beim Planen und Bauen von Brücke und Brückenkopf, als
Hitler einmarschierte. Für die Hauptstadt seines Heimatgaus (wie auch
für Innsbruck und Graz) ließ er hypertrophe Stadtraumentwürfe zeichnen.
Die Linzer Beamten bremsten und retteten so die Altstadt. Nur die
Brücke war vollendet – und 1945 bis 1955 Grenzpfad zwischen Russen und
Amerikanern. Der Brückenkopf bot beim Zusammenbruch Großdeutschlands
nur Fassaden (Münchner Klassizismus) mit wenig dahinter. Die Republik
baute fertig.
Friedrich Achleitner, ein Oberösterreicher, erinnert in seinem
Architekturführer des 20. Jahrhunderts an die Nazi-Bauherrschaft.
"Dennoch", so der Doyen der Architekturkritik, "sind der Abschluss des
Hauptplatzes, die schwierige Überwindung der Steigung zur
Nibelungenbrücke hin und schließlich die Gesamtwirkung als Brückenkopf
vom städtebaulichen Standpunkt zu akzeptieren."
Dass der Brückenkopf unter Schutz steht, war nie ein Problem. Das
Denkmalamt erlaubte geschichtskritische Kunstaktionen. 1977/79 ragte
vom Dach eine "Nike"-Edelstahlskulptur der "Hausrucker" Richtung Donau.
Als Linz-2009-Beitrag ritzte die Berlinerin Hito Steyerl
Erinnerungsspuren in die Fassade des Ostgebäudes. Es steht leer, seit
die Finanzlandesdirektion ausgezogen ist.
Stellvertreterkrieg
Kulturkämpfe sind nicht selten Stellvertreterkriege. Warum machen
die Linzer Scharfmacher die Brückenkopfbauten nazibraun madig? Der
Zugewinn des Ostflügels mit der Verdoppelung der Fläche auf 20.000
Quadratmeter brächte der Universität für künstlerische und industrielle
Gestaltung einen Wachstumskick. 1973 gründete Herta Firnberg die Linzer
Hochschule für Gestaltung. An die Bedeutung des Vorbilds Ulm (mit Max
Bill, Otl Aicher) reichte sie nie heran. Im Jahr 2000 wurde sie
Universität. 2005 wäre sie noch mit 2000 Quadratmeter Ersatz für Räume
ausgekommen, die sie in der denkmalgeschützten Tabakfabrik aufgeben
musste.
Mit dem viel massiveren Raumzuwachs am Donauufer wäre die
Erweiterung zur "Kunstuni" (mit diesem Etikett verbirgt sie ihre
praxis- und wirtschaftsnahe Herkunft) möglich. Eine solche braucht
weniger Ateliers als Dauerschreibtische für Kulturwissenschaftler – die
sich freilich längst an allen Universitäten auf die Beine treten und
mit den Hände arbeitenden Künstlern die Ressourcen streitig machen.
Diese weithin nur prekär beschäftigten Kunsttheoretiker,
Kultursoziologen, Medienanalysten haben keine mächtige Lobby. Darum
sollen Architektur, Bauwirtschaft und mediengerechter Antifaschismus in
Linz ihr Wachstumsprojekt durchtragen. Ohne Evaluation der bisherigen
Leistungen, ohne Bedarfsfeststellung, ohne Rücksicht auf Folgekosten
oder gesamtstaatliche Bildungspläne.
Printausgabe vom Freitag, 13. März 2009
Kommentare zum Artikel:
12.03.2009 Selbstverwirklichung
Adolf H., der gescheiterte
Kunststudent, wollte sich durch Bauten selbst verwirklichen. Adolf K.
erhält jetzt die Gelegenheit, sich an einem von ihm als
nationalsozialistisch denunzierten Bauwerk auszutoben. Worin besteht
eigentlich der Unterschied? Und wer hat die Linzer Bevölkerung gefragt,
ob sie den teuren Unsinn will?
Günter Stickler
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