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19.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Charim Galerie: Alles nur Kulisse - Nächst St. Stephan: Starke Gefühle

kunstraum

Wenn an der figurativen Malerei unserer Tage etwas auffällt, dann wie oft sich ihre Räume kulissenhaft gestalten. Seien es nun Interieurs oder Architekturansichten: Sehr häufig lösen sich diese Räume sonderbar auf, ihre Geometrie tritt wie eine Abstraktion in den Vordergrund und sie erscheinen als bloße Staffage für ihre Protagonisten. Ähnlich auch in den Bilderzählungen des 1977 in Prag geborenen Malers Daniel Pitín. In seinem Ölgemälde "Woman" (3850 €) scheint die in lasierenden Farben festgehaltene Frau mit der Wand zu zerfließen. Vor einer gestreiften Tapete schwebt sie unterleibslos wie ein Geist. Dagegen dürfte für das Bild "Miss You" gleich der "Invisible Man" Pate gestanden haben: Mehrere Anzugträger gehen hier körperlos zweifelhaften Vergnügungen nach. In Pitíns ebenfalls sehr gelungenem "Sunday Afternoon" (3800 €) tritt Hollywood als Bildquelle noch deutlicher zu Tage. Diese farblich verwaschene Szene aus dem amerikanischen Süden lässt mit ihrem schraffierten Bildaufbau ein wenig an den Leipziger David Schnell denken. Wie Pitíns Bildwelten umgibt auch die Malerei von Wolfgang Wirth eine Aura der Rätselhaftigkeit. Das Geheimnis wird hier aber noch mehr zelebriert. Wirths Großformate sind auch viel statischer und weniger frei in den technischen Möglichkeiten. "Young Men" (7300 €) zeigt einen konzentriert über einen Baumstamm balancierenden Jüngling. Auch "Tent" (8900 €) bewegt sich im Pfadfinderkosmos. Was das kitschige Bild "Lake (China)" betrifft, so wird dieses Panorama nur verdaulich, wenn man es als das Setting eines chinesischen Nationalepos betrachtet. (Bis 31. 7., Dorotheerg. 12, Wien 1)

Nächst St. Stephan: Starke Gefühle

Ihre Kunst drehe sich um das menschliche Verhalten in Extremsituationen, meint die Polin Agnieszka Kalinowska. Zum Beispiel Warten. Ein Rendezvous, für das man sich besonders schön gemacht, sogar neue Stöckelschuhe gekauft hat - und die ersehnte Person kommt nicht. Noch dazu ist es bitterkalt. Warum geht die nervöse Dame in Kalinowskas Videoinstallation "Great Scene" (6600 €) nicht einfach ins Foyer? Nein, sie steht in den beiden, vis à vis projizierten Filmen auf der Straße herum und lässt sich die Zehen in den High Heels abfrieren. Der Betrachter wird schon ganz sauer, dass niemand kommt. Da hält einen auch die asiatisch anmutende Musik nicht, ganz im Gegenteil. Im nächsten Raum scheint es viel fröhlicher zuzugehen. Bunte Luftschlangen und Konfetti soweit das Auge reicht. Schnell werden aber die zusammengekrümmten Figuren am Boden sichtbar. Sie wurden aus dem Dekomaterial geformt und lassen an Betrunkene denken, die auf einer Party am Boden eingeschlafen sind. Die kleinen Figuren rühren; seltsam und unwillkürlich muss man an Feste denken, auf denen man sich einsam gefühlt hat. Dagegen wirken Kalinowskas Bilder aus Stroh auf Stoff maniriert. Wer will schon eine Erinnerung an die Pariser Vorstadtproteste in Bastelformat? (Bis 29. 7., Grünangerg. 1/2, Wien 1) Nicole Scheyerer

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