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16.06.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
"Nordlicht": Die Sezession der tausend Seen
VON NORBERT MAYER
Ausstellung "Nordlicht". Finnlands Aufbruch zur Moderne in der Österreichischen Galerie Belvedere.

Wer sich in der österreichischen Galerie Belvedere am heimi schen Mythos Staatsvertrag in der großen Gedankenjahr-Schau satt gesehen hat, kann im zweiten Stock fremde Bilder staatlicher Identitätsfindung studieren - statt der gemütlichen die coole Version der Neutralität. Die Ausstellung "Nordlicht" zeigt, wie sich Finnland von 1890 bis 1920 über den Umweg der bildenden Kunst definierte. Das Land war Jahrhunderte unter russischer oder schwedischer Herrschaft gestanden. Mit der Unabhängigkeit 1917 ging eine Blütezeit der Malerei und Architektur einher. Finnlands sezessionistischer Aufbruch in die Moderne hatte auch einen nationalen Charakter.

Am stärksten wird das beim finnischen Meister-Maler Akseli Gallen-Kallela (1865-1931) sichtbar, der auch Szenen aus dem blutgetränkten finnischen Nationalepos "Kalevala" gemalt hat. Einer der insgesamt sieben Räume ist diesen eigenartigen, dem Jugendstil verhafteten Bildern gewidmet, die irgendwo im mythischen Karelien spielen: "Kulervos Fluch" (1899), "Brudermord" (1897), "Lemminkäinens Mutter" (1897) zählen zu den starken Eindrücken der Ausstellung, die eben vor allem mit Gallen-Kallela glänzt. Sein impressionistisches Landschaftsbild "Imatra im Winter" (1893) im ersten Raum ist von ganz anderer, nicht minder beeindruckender Anmutung. Die Naturbilder des Malers, zum Beispiel "Keitele-See" (1905) oder "Frühjahr" (um 1900), zeugen von einem facettenreichen, originären Künstler. Letzteres Werk ist 1901 von der Österreichischen Galerie Belvedere erworben worden.

Vielseitigkeit ist der Charakter dieser frischen finnischen Maler, die in Städten wie Paris, München und Sankt Petersburg ihr Handwerk lernten, die auf der Höhe der Zeit waren. Auch zur Wiener Secession gab es recht intensive Kontakte. Neben Gallen-Kallela fallen vor allem die Malerinnen Ellen Thesleff (1869-1954) mit ihren aktionsgeladenen, avantgardistischen Landschaften und Helene Schjerfbeck (1862-1946) mit ihren subtilen Porträts auf.

Das Finnland-Klischee malte Albert Edelfelt (1854-1905): Wälder, Sonne, Seen und manchmal auch viel Schnee sind die unentbehrlichen Ingredienzien für ihn und Väino Blomstedt (1871-1947), diese Bilder zählen offenbar zur Dutzendware aus Helsinki. Interessanter sind die Motive von Pekka Halonen (1865-1933) und Juho Rissanen (1873-1950); Szenen aus dem Volk in beinahe naiver Manier - Bauern, Köhler, arme Leute. Eine modernere Version dieser Sozialkritik liefert Marcus Collin (1882-1966), der "Emigranten" (1914) und "Fabrikarbeiter auf dem Heimweg" (1917) malte.

Neben diesen etwas tristen Bildern gibt es auch farbenfrohe, pointillistische von Verner Thomé (1878-1953) und Tyko Sallinen (1879-1955). Aus ihren Werken spricht sehr direkt die Liebe zur Landschaft, die Sehnsucht nach dem Licht. In den Cafés von Helsinki wurde von den Dichtern, Denkern, Malern, Architekten Theorie betrieben. Nach einem solchen "Symposium" trieb es sie dann hinaus in die Anschauung.

Die Schau der fremden Bilder im Belvedere ist von Kurator Stephan Koja luftig, mit Bedacht, aber auch mit viel Aufwand gestaltet worden. Architekt Johannes Melbinger hat ein nachtblaues Kino geschaffen, in dem ein einstündiger Dokumentarfilm zur Einübung in das finnische Wesen läuft. Eine außergewöhnliche High-Tech-Video-Projektion auf einer 15 Meter langen, wellenförmigen Leinwand in einem Verbindungsgang zwischen zwei Teilen der Ausstellung bringt wunderschöne Landschaftsaufnahmen, die auf die Bilder Bezug nehmen. Selbst der Shop am Ausgang ist entsprechend gestylt - in nordischer Kiefer. Die zumindest ist einem da nicht mehr fremd.

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