12.02.2003 18:50
Raumschiff Wellness am Bodensee
Premiere vor einer US-Tournee mit dem "Wave UFO": Mariko Mori im
Kunsthaus Bregenz
Bregenz - Einst war Mariko Mori ein fremder Engel, der
vom Himmel direkt in unsere profane Wirklichkeit fiel. In den Neunzigern setzte
sie sich selbst als schrill-bunte Comicfigur in Widerspruch zu unserem grauen
Alltag. Wunderschön, jung, doch auf irritierende Weise asexuell und unnahbar.
Am vergangenen Freitag nun weilte die einstige Außerirdische leibhaftig
unter uns, gekleidet in züchtiges Weiß, die Haare zu einem Dutt zurückgesteckt,
Blick und Stimme japanisch-bescheiden gesenkt. Ihr Kunstwerk ist eine
tropfenförmige Welle aus Kunststoff und Aluminium, ein lastwagengroßes Hybrid
aus Skulptur und Installation, dem man das Gewicht von sechs Tonnen kaum
anmerkt.
Das Ding erinnert entfernt an einen iMac-Computer: weiche
Formen, transparente Materialien, changierende Farben. Es ist, als ob Mariko
Mori den Alien in sich zu einem Wave UFO materialisiert hätte. Hübsch,
sauber und perfekt geformt. Aber nicht ganz von dieser Welt. Im Reich der
Sinne.
Das Gerät funktioniert so: Besucher müssen ihre Schuhe ausziehen,
bekommen die Stirn mit Alkohol gereinigt (weshalb das KUB leicht nach Spital
riecht) und vier Elektroden angeheftet. So verkabelt entern sie das Raumschiff.
Je drei Personen können gleichzeitig auf Liegen Platz nehmen. Sie schauen in den
Himmel, in die Kuppel über ihnen, wo sich alsbald per Videoanimation Farben und
Formen sanft zu verändern beginnen.
Diese Projektion ist eine mit hoher
Computerleistung errechnete Resonanz auf Hirn-und Herztätigkeiten der Besucher.
Sie macht, um es mit Marikos Worten zu sagen, die Lebensenergien sichtbar, mehr
noch, setzt die Energien aller drei UFO-Reisenden in Beziehung zueinander. Durch
Spannung, Entspannung, durch Denken und Fühlen lassen sich die Farbenspiele
beeinflussen und aufeinander abstimmen. Dazu klingt sphärische Musik, komponiert
von Marikos Ehemann Ken Ikeda. "Wollen Sie auch fliegen?", lädt der Kurator des
Kunsthauses Bregenz, Rudolf Sagmeister, seine Gäste ein. Und tatsächlich - so
könnte sich das Fliegen anfühlen. Leicht und sehr konzentriert. Im Reich der
Materie.
Das Abgehobene des Wave UFO wurde am Tag der Eröffnung
wohltuend karikiert durch die zahlreich und nervös hin und her eilenden
Ingenieure und Programmierer. Hier ein paar Amerikaner, die heftig an ihren
Computern fingerten, dort wurden Fluggäste instruiert und verkabelt, vor allem
aber fielen die Erbauer der Hardware auf, eine Gruppe gepflegt gekleideter und
ausholend gestikulierender Handwerker aus Turin. Teure Perfektionisten, die
üblicherweise Modelle für Fiat-Motoren bauen.
Die acht Tage bis zur
Eröffnung hat das Team täglich 14 Stunden durchgearbeitet. Was kostet ein
norditalienischer Handwerker pro Stunde? Was kostete die Skulptur? Mariko Mori
meint vage, sie habe noch keine Totalkosten kalkuliert, KUB-Chef Eckhard
Schneider scherzt: "So viel wie eine Reise zum Mond und zurück", präzisiert
aber, dass Mariko, ähnlich wie Verhüllungs-Christo, ihre Arbeit in Eigenregie
projektiert habe, das Rechnen demnach bei ihr läge.
Nach der Schau in
Bregenz wird das UFO daher in den USA auf Tournee gehen. Aber warum um Herrgotts
willen Premiere ausgerechnet im KUB? Mariko lächelt tiefgründig: "Because of the
spirit of the architecture. This is a beautiful place."
(DER
STANDARD, Printausgabe, 13.2.2003)