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Kunstberichte
Bilder über Bilder im Mumok: Diskursive Malerei von Albers bis Zobernig

Autonomie der Karos

Gerwald Rockenschaub: "Color foil on Alucore" (1999) aus der Daimler Kunst Sammlung zu Gast im Museum Moderner Kunst in Wien. Foto: Gerwald Rockenschaub

Gerwald Rockenschaub: "Color foil on Alucore" (1999) aus der Daimler Kunst Sammlung zu Gast im Museum Moderner Kunst in Wien. Foto: Gerwald Rockenschaub

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Wien. Das Museum Moderner Kunst (Mumok) verstärkt einen Sammlungsschwerpunkt seit den ersten Jahren seines Gründungsdirektors Werner Hofmann mit Hilfe der ältesten Unternehmenssammlung Deutschlands.

Seit 1977 gibt es die Daimler Kunst Sammlung mit einer ähnlichen Ausrichtung auf abstrakt-geometrische Avantgarden, der mit Adolf Hölzel um 1908 beginnt, dessen Schüler in Stuttgart die wichtigen Bauhausmeister Johannes Itten und Oskar Schlemmer waren. Heute hat die Sammlung einen Ausstellungsraum am Potsdamer Platz und verleiht auch seine Werke an Museen.

Dabei ist die klassische Moderne und die Nachkriegsavantgarde der "Konkreten" mit der Gruppe "Zero" über Frankreich, England und die Schweiz bis in die US-amerikanische Minimal- und Konzeptkunst Fortsetzung zu den Konstruktiven. Bei der Gegenwartskunst bleibt der Aspekt des reduziert Konzeptuellen dabei in beiden Sammlungen wichtig neben Fotografie und Videokunst.

Überschreitung der Gattungsgrenzen

Die diskursive Malerei ist eine autonom, sich selbst reflektierende, doch auch bei Karobildern und dem Vorurteil der Enge von "Gedankenkasteln" gibt es Überschreiten von Gattungen nebst einer Fülle an Medien und Materialien.

Dem russischen Konstruktivismus mit teils ironischen Nachwehen bis in die heutige Konzeptkunst, etwa der Österreicher Heimo Zobernig und Gerwald Rockenschaub, stehen im Westen De Stijl in Holland und Piet Mondrians Neo-Plastizismus gegenüber. Durch das Exil der geometrischen Avantgarde in den USA konnten sich von Josef Albers und der "Postpainterly Abstraction" mehrere Entwicklungsstränge ableiten – auf Hard Edge und Color Field folgten Minimal und Neo Geo.

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"Target B" von Poul Gernes. Foto: Daimler Kunst Sammlung

Kuratorin Renate Wiehager von der Daimlersammlung stellt bei der Schau im Mumok teils vergessene deutsche Positionen wie Hermann Glöckner, Adolf Fleischmann oder Günter Fruhtrunk den Heroen Donald Judd, Daniel Buren, Francois Morellet oder Joe Baer gegenüber.

Mit rund 130 Werken von 75 Künstlerinnen und Künstlern aus 20 Ländern werden im Mumok zwei Ebenen bespielt. Der neue Typus Ausstellung, abseits jeder Chronologie, hat allerdings den Nachteil, dass zwar die Verschränkung von Alt und Neu gut funktioniert, aber die Fülle die Themenfelder aufspaltet.

Leere und Lichtkunst dienen als Brücken

Auch wenn Kategorien wie die Leere oder Medien wie die Lichtkunst als Brücken dienen sollen, sind die Übergänge und Konkurrenzen innerhalb der "Konkreten" nicht ablesbar. 1930 hat Theo van Doesburg diesen Begriff in seiner theoretischen Zeitschrift geprägt, aber vor allem die Schweizer Max Bill und Richard Paul Lohse waren nach 1950 in Europa seine Verfechter.

In Österreich gab es parallel zu Frankreich und der Schweiz wichtige "Konkrete" wie Hildegard Joos, die frühe Kiki Kogelnik, den Computerkünstler Kurt Ingerl und vor allem Helga Philipp. Aber deren bescheidener Ruhm ist leider noch nicht bis zur Daimler Kunst Sammlung vorgedrungen.

So ist denn diese Gegenüberstellung einer staatlichen mit einer halbprivaten Sammlung als ein weiteres subjektives Konstrukt zu hinterfragen. Denn auch zu der Schau zum 80. Geburtstag von Gerhard Rühm, Mitglied der legendären "Wiener Gruppe" der "konkreten Poesie", hätte es mehr kleine Brücken gegeben. So hat beispielsweise Steffi Kiesler, Frau des legendären Architekten Friedrick Kiesler, unter dem Pseudonym Pietro Saga in New York um 1940 "Typo-Plastiken" mit Schreibmaschine geschaffen.

Aufzählung Ausstellung

Bilder über Bilder
Diskursive Malerei von Albers bis Zobernig
Renate Wiehager (Kuratorin)
Daimler Kunst-Sammlung
Museum Moderner Kunst
bis 27. Juni

Printausgabe vom Freitag, 26. März 2010
Online seit: Donnerstag, 25. März 2010 17:58:00


Kommentare zum Artikel:

26.03.2010 16:07:27 Kann ich auch!
Malewitsch- und Albers-Quadrate neben und übereinander hängen kann ich auch.
Samthand Schuh
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