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Kunstberichte
Ausstellung

Flexibles Denken mit sozialem Engagement

Aufzählung (bbb) Jean Prouvé ist hierzulande ein Insidertipp unter Architekten und Designern. Neben diesen beiden Professionen bediente der Franzose (1901–1984) aber auch den Kunstschmied, Produktentwickler und Industriellen, war zudem kurz nach dem Krieg Bürgermeister von Nancy. Bei einer Sotheby’s-Versteigerung 2004 erzielten seine Aluminiumtüren absolute Design-Höchstpreise: Eine "Prouvé-Mania" greift immer noch um sich.

Die Ausstellung zum 25. Todestag des Vielseitigen, konzipiert vom Vitra-Design-Museum, tourt von Frankfurt bis nach Japan – und macht derzeit Station im Wiener Hofmobiliendepot. Sie zeigt Prouvés Modelle, Pläne, Prototypen und nachgebaute Möbel, auch die gesamte Eisenkonstruktion einer Baracke, basierend auf nur einer Mittelstütze. Flexible Systeme, veränderbare Dachkonstruktionen und ein besonderes Teamwork mit den besten Architekten, Designern und Technikern seiner Zeit zeichnen Prouvés Arbeiten aus.

Was mit einer Schmiedelehre begann, geprägt von den Jugendstil-Ideen seines malenden Vaters, führte 1926 durch einen Auftrag für ein Metalltor zur Architektur: Robert Mallet-Stevens hatte es für sein Haus in Paris bestellt, die Begegnung mit Le Corbusier und dessen Vetter Pierre Jeanneret führte zu Konstruktionen von Pavillons, Deckenverglasungen, Balustraden, faltbaren Trennwänden.

Funktional und poetisch

Schon 1929 bekam Prouvé erste Patente, 1950 wurde er Ritter der Ehrenlegion. Praxisbezogen sah er Kunst und Industrie als Einheit – den Gegensatz von technisch-funktional und poetisch überwand er mit seiner Vielseitigkeit mühelos. Prouvé war immer wieder als Architekt tätig: Sein Volkshaus in Clichy, Standardhäuser von Meudon, der Messepalast von Lille und die Trinkhalle in Evian am Genfer See gehen im Umfang weit über die vielen flexiblen Pavillons hinaus. Für den ersten Büroturm in Paris, den Tour Nobel, baute er die abgerundete Vorhangfassade.

Prouvés ganzheitliche und soziale Sicht bestimmte zu Lebzeiten den Preis seiner Möbel, ließ ihn für Krankenhäuser, Schulen und Obdachloseneinrichtungen arbeiten. Als Lehrender (1958–1971) entwickelte er schließlich ein "Alphabet der Strukturen" für Architekten und Designer und förderte junge Architekten wie Renzo Piano und Richard Rogers; nicht nur Jean Nouvel und Norman Foster nennen Prouvé als Vorbild. Derart umfassend bleibt sein Werk relevant für unsere Tage.

Aufzählung Ausstellung Jean Prouvé

Hofmobiliendepot Andreasgasse 7, 1070 Wien bis 21. Juni

Printausgabe vom Donnerstag, 12. März 2009

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