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Kunstberichte

Das Unwichtige wird wesentlich: Wien Museum zeigt Elfriede Mejchars Fotografien von den Rändern Wiens

Wien, eine Heimat ohne Klischees

Über die Schönheit der Gstätten: Elfriede Mejchar fotografiert mit Vorliebe Motive aus den urbanen Randzonen, wie das abgebildete Foto aus der Serie "Wienerberger Ziegelöfen", 1979–81. Foto: Elfriede Mejchar

Über die Schönheit der Gstätten: Elfriede Mejchar fotografiert mit Vorliebe Motive aus den urbanen Randzonen, wie das abgebildete Foto aus der Serie "Wienerberger Ziegelöfen", 1979–81. Foto: Elfriede Mejchar

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Sie ist die grande dame der Wiener Fotografie: Elfriede Mejchar. Das Wien Museum widmet ihr nun eine Ausstellung über das Thema, mit dem ihre Laufbahn begann: "Fotografien von den Rändern Wiens".

Neben ihrem Brotberuf, von 1952 bis 1984 fotografierte sie für das Bundesdenkmalamt Kirchen, Burgen und Schlösser, nutzte sie die Kamera für ihre eigenen künstlerischen Interessen. Die waren der monumentalen Größe und Ästhetik der Denkmäler entgegengesetzt. Mejchar ging in ihrer Freizeit vorzugsweise an die südöstlichen Ränder Wiens, dokumentierte das Sterben der alten Ziegelöfen und Chemiefabriken, das Verwahrloste der Triester Straße, die "Gstätten", den Schrott und die wild wuchernde Natur.

Stromern durch Unorte

Sie beschreibt dies als ein begeistertes Stromern durch Ungegenden, in denen ihr auch Masten, Schilder, Zäune und windschiefe Hütten zum Motiv wurden.

Einerseits ist die Serie "Simmeringer Haide, Erdberger Mais" von 1967-1979 ein Dokument verschwundener Industriebauten, trotzdem wirken die Aufnahmen nicht wie nüchterne Protokolle.

Schon Otto Breicha, der diese Werkmappe 1976 erstmals im modernen Museum präsentierte, spürte die hohe handwerkliche Qualität und das Können in besonderen Lichtinszenierungen ihrer klassisch analogen, schwarzweißen Fotografie. Aber auch ihre Faszination, mit Licht das Unästhetische und Unwichtige wesentlich zu machen. Mejchar leistete dabei Pionierarbeit, viele jüngere Fotografen folgten ihr thematisch.

Das Ende der analogen Kamera stürzt die jung gebliebene 84-Jährige nicht ins Unglück untätiger Rückschau: Schon früh hat Mejchar auch mit Farbe experimentiert, wie die Serie der "Wienerberger Ziegelöfen" 1979-1981 aus dem Besitz des Wien Museums beweist. Daher scheut sie auch die neuen digitalen Techniken nicht. Für die Serie "Hausbau 2001/03" lässt sie, die immer selbst in der Dunkelkammer entwickelte, beispielsweise erstmals große C-Prints drucken. In der Fotoserie hält sie fest, wie Neubauten die Peripherie verändern. Dabei fotografiert sie aus einem Fenster ihrer Wohnung, wie der Ausblick zunehmend verbaut wird. Ein Beleg für die Wandlungsfähigkeit der Künstlerin, es muss eben nicht immer Industrieruinenromantik sein.

Entlarvt Geschlechterrollen

Mit der ihr eigenen Ironie hat Mejchar sich neben den Stadträndern, Landschaften, Blumen und anonymen Hotelzimmern auch immer der Fotocollage und der Inszenierung gewidmet.

Sie entlarvt damit Geschlechterkonstruktionen in unserer Gesellschaft – als Feministin sieht sie sich aber nicht, betont nur ihre Vorliebe für das ein bisschen Böse neben rostenden Autos, seltsamen Schildern und anderen Merkwürdigkeiten. In ihren Bildern ist Wien eine Heimat ohne Klischees.

Aufzählung Bildende Kunst

Fotografien von den Rändern Wiens: Elfriede Mejchar

Lisa Wögenstein (Kuratorin) Wien Museum bis 25. Jänner

Printausgabe vom Donnerstag, 23. Oktober 2008

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