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Nervenlinien und Selbstumrisse/ Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
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Lassnig: Die Feder ist die Schwester des Pinsels

300 Jahre Wiener Zeitung!Unter dem Titel "Die Feder ist die Schwester des Pinsels" hat der Kölner DuMont-Verlag mit Hans Ulrich Obrist (dem Ausstellungsmacher und Museumskonzeptor von Paris und Wien) die Tagebücher der bekannten österreichischen Malerin Maria Lassnig herausgegeben.
Wer sich eine autobiografische Unterhaltungslektüre vorstellt, wie sie durch Georgia O'Keeffe, Francois Gilot oder Dorothea Tanning bekannt ist, wird enttäuscht werden: Hier geht es nur sehr wenig um das gesellschaftsträchtige Privatleben einer Künstlerin, sondern um ihre kunsttheoretischen, dichterischen und zuweilen zeitbezogenen politischen Kommentare zur eigenen, meist in großer Isolation gelebten künstlerischen Arbeit. Weder Sensationen des Liebeslebens noch Beschimpfungen von Kollegen kommen darin vor.


Hans Ulrich Obrist hat seit 1993 mit Maria Lassnig eine Art Dialog geführt; seine Ansicht im Vorwort, dass sie eine avantgardistische Pionierin feministischer Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper sei, verwundert freilich, da die Malerin selbst ein bewusstes Engagement im Feminismus immer bestritten hat.


Hans Ulrich Obrist hat seit 1993 mit Maria Lassnig eine Art Dialog geführt; seine Ansicht im Vorwort, dass sie eine avantgardistische Pionierin feministischer Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper sei, verwundert freilich, da die Malerin selbst ein bewusstes Engagement im Feminismus immer bestritten hat. Jener ließ sich offenbar nicht mit ihrer persönlichen Problematik der künstlerischen Beobachtung eigener Körperempfindungen übereinstimmen.
Die sehr unterschiedlichen Texte und Textpassagen, Fragmente, Gedichte und von Traum, Spott, Experiment, Zweifel, Bewusstseinsfragen u. a. bestimmten Tagebucheintragungen lesen sich wie Botschaften aus einer sehr eigenwilligen, oft mit den Bildern nicht verwandten Welt. Es sind augenblicklich fallende, sich der Schreiberin aufdrängende Worte, also könnte man fast sagen: Dichtung. Sie selbst vergleicht ihre spontanen Texte mit den "tropismes" der französischen Dichterin Nathalie Sarraute. Die pathetischen Einschübe lassen anfangs jugendlichen Ernst erkennen: Mit "Der du die Erbsünde der Menschheit trägst, Künstler . . ." wird Religiöses auf die Künstlersituation übertragen - und "Nur der Gedanke an die Flüchtigkeit unseres Erdenwandelns lässt uns an der Ewigkeit teilhaben . . ." setzt dies fort, um aber wieder mit viel Ironie an anderer Stelle durchkreuzt zu werden; so bemerkt sie trocken: "Mein Verhältnis zu Männern ist ziemlich destruktiv". Lassnig berichtet aber auch dokumentarisch über die Nachkriegszeit an der Wiener Kunstakademie, über ihre Ausstellungen im Art-Club und anderswo, über die Zeit in Paris, wobei sie auch in Französisch Prosagedichte schreibt.
"Beim ersten Unglück in der Liebe lernt man, an sich selbst zu glauben . . ." rechtfertigt sie ihre Konzentration auf "Body-awareness-Painting", dem sie eine wichtige Abhandlung gewidmet hat, ohne die sicher keine wissenschaftliche Arbeit über die Lassnig mehr auskommt.
Fotos zeigen sie im Loft in New York in den sechziger und siebziger Jahren, wo sie im Gegensatz zu ihrer Kärntner Landsfrau Kiki Kogelnik eher einsam und fleißig malend lebte; es gibt aber auch frühe Aufnahmen aus Wien (von der Schau in der Galerie St.

Stephan zur Zeit Monsignore Otto Mauers), Berlin, Paris, Rom und aus Kärnten in diversen Sommern - und aus den Selbstverfremdungsvariationen ihres Films "Kantate" aus dem Jahre 1992.
Experimentell und psychologisch sind ihre geschriebenen Bewusstseinsbilder, danach folgen zuweilen sarkastische Gedichte wie "Streut meinen Staub in den Rhein .

Stephan zur Zeit Monsignore Otto Mauers), Berlin, Paris, Rom und aus Kärnten in diversen Sommern - und aus den Selbstverfremdungsvariationen ihres Films "Kantate" aus dem Jahre 1992.
Experimentell und psychologisch sind ihre geschriebenen Bewusstseinsbilder, danach folgen zuweilen sarkastische Gedichte wie "Streut meinen Staub in den Rhein . . ." - und dann wiederum sie notiert penibel ihre Konzepte zur Lehrtätigkeit an der Angewandten sowie ihre Dankesreden für Preise.
In den pädagogischen Schriftteilen fällt die eigene "Mystik" in der Grundauffassung von Kunst auf, obwohl Maria Lassnig diese eher bei anderen - wie etwa Joseph Beuys - vermutet. Dazwischen sind aber sehr klare und scharfe, intellektuelle Passagen zu finden sowie resignative Erkenntnisse in der Art von: "Die Professur auszuüben ist die ärgste Vergewaltigung, die einem freien Menschen passieren kann."
Die Dichotomie einer sehr intimen Sphäre und einer öffentlichen Seite ist sympathisch angelegt, nicht geglättet, denn es zeigt die Gespaltenheit, in der jeder begabte und schaffende Mensch leben muss.
Trotz ansonst eher antipolitischer Statements äußert sich Maria Lassnig gegen den (Golf-)Krieg, mokiert sich über manche allzu nahe Beziehung ihrer selbst zu Tieren, die ihr verdächtig ist und ihre Einsamkeit erkennen lässt, ja sie klammert auch den "Pensionsschock" nach der Professur, unangenehme Aspekte des Älterwerdens und ihre Herzkrankheit nicht aus.
"Jede Zeichnung ist ein Triumph über die Unruhe in der Welt", schreibt sie 1992, einige von den nervösen Strichführungen sind auch abgebildet - Nervenlinien und Selbstumrisse.
Mit "Die kostbarsten Augenblicke sind nicht dokumentiert" lächelt sie auch über das Fehlende in diesen Aufzeichnungen. Für alle, die Lassnigs Malerei und auch ihre Trickfilme lieben, sind sie trotzdem eine lohnende zusätzliche Erkenntnisquelle.


Maria Lassnig: Die Feder ist die Schwester des Pinsels. Tagebücher 1943 bis 1997. Hrsg. v. Hans-Ulrich Obrist. DuMont 2000, 199 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.


Erschienen am: 12.01.2001

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