Kultur

China boomt nur für den Westen

29.01.2007 | SN
In den Ateliers von Beijing und Shanghai herrscht eine Goldgräberstimmung. Kunst trifft Kapitalismus und das offizielle China drückt bei der Kunstfreiheit ein Auge zu. MARTIN BEHR

Martin Behr Graz (SN). Die Zeiten, in denen in China ausschließlich Arbeiterhelden sowie Landschaften in Tusche gemalt wurden, sind vorbei. Analog zur Wirtschaft boomt auch die chinesische Gegenwartskunst, der westliche Kunstmarkt hat im Reich der Mitte ein neues Betätigungsfeld gefunden: in den Kunstszenen von Beijing und Shanghai herrscht Goldgräberstimmung.

"Chinesische Kunst hat sich in der vergangenen zehn bis zwanzig Jahren in einem Hochgeschwindigkeitstempo weiterentwickelt. Viele Museumsleute wissen: Diesen Zug dürfen wir nicht verpassen", sagte Bernhard Fibicher vom Kunstmuseum Bern in der Vorwoche bei einem "Akademie Graz"-Vortrag im Grazer Stadtmuseum. Der Schweizer hat die beispielgebende Ausstellung "Mahjong" (basierend auf der Sammlung Uli Sigg) kuratiert.

Was seit der Reformpolitik in der Post-Mao-Ära eigenständige Blüten trieb, gipfelte 1989 in der Ausstellung "China/Avant-Garde" in der Nationalgalerie Beijing. Die Schau wurde mehrmals geschlossen, es gab Verhaftungen. Nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im selben Jahr gingen etliche chinesische Kunstschaffende ins Ausland oder zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück. In dieser Zeit entstand die Stilrichtung des zynischen Realismus, verkürzt auch "China Pop" genannt.

Mit karikaturähnlichen Methoden seien allvertraute Bilder und Gegenstände des politischen Alltags demontiert worden, erläutert der Kunstkritiker Li Xianting. Mao etwa mutierte zu einem bloßen Mode- und Konsumartikel. Bernhard Fibicher ist vor allem von der Unbelastetheit in der chinesischen Gegenwartskunst beeindruckt: "Die klassische Avantgarde wird nicht als Belastung angesehen, es gibt keine Scheu vor der Kopie."

"Kunst trifft Kapitalismus in einer neuen Revolution": Dieser Titel der "New York Times" kennzeichnet die Aufbruchstimmung, die derzeit in den Galerien-, und Ateliervierteln von Beijing und Shanghai herrscht. Im stimmungsvollen Hallenkomplex "798", einst von ostdeutschen Baubrigaden als Elektrofabrik in Beijing errichtet, fahren ebenso wie in den ehemaligen Arbeiterquartieren einer Shanghaier Textilfabrik Luxuskarossen mit westlichen Kuratoren und Sammlern vor. Ausstellungen werden fixiert, hochpreisige Deals abgeschlossen. Kunstschaffende wie Yue Minjun, Zhang Xiaogang, Pu Jie, Wang Guangyi, Fang Lijung oder Zhao Bandi, um nur wenige zu nennen, sind zu international gefragten Größen avanciert.

Der Durchbruch ist auch von Kritik begleitet. Durch den Boom würden massenhaft Auftragswerke für den westlichen Markt geschaffen, in denen westliche China-Klischees zu sehen seien, heißt es. "Das westliche Auge definiert die aktuelle China-Kunst mit. Wir suchen das, was China nicht ist, aber Brücken zur eigenen Kunst schlägt", sagt Katrin Bucher, die für das Kunsthaus Graz die Ausstellung "China welcomes you..." kuratiert. Und der Direktor des Museums Moderner Kunst in Wien (Mumok), Edelbert Köb, ergänzt: "Wer sich nicht mit dem Westen arrangiert, kann nicht am Hype teilnehmen."

Politik wie Kunst sind in China von Pragmatismus geprägt. Der pekuniäre Erfolg macht das offizielle Verbot von Nacktheit und Staatskritik durchlässig. Verblüffend: Die im Westen gefeierten Werke sind in vielen Landesteilen Chinas nahezu unbekannt. Köb: "Auch in Akademien Beijings weiß man nicht, dass es die Boom-Kunst gibt."

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