Österreichische Galerie Belvedere: "Das Neue Österreich" – Die Schau zum Staatsvertragsjubiläum
Identität gefunden in der Kunst
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Erika Giovanna Klien: "Revolution in Wien" (1930, Aquarell auf Papier).
/ (WZ Online)
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Der Ort der Ausstellung ist denkbar symbolträchtig: Im Marmorsaal
des Oberen Belvederes unterzeichneten am 15. Mai 1955 die Außenminister
von Frankreich, Großbritannien, der Sowjetunion und der Vereinigten
Staaten von Amerika den Österreichischen Staatsvertrag. Die
Räumlichkeiten des Oberen Belvedere beherbergen nun die
Jubiläumsausstellung, in der die Arbeit österreichischer Künstler ein
zentrales Thema ist.
Nach einem Staatsakt am 12. Mai und weiteren geschlossenen
Begehungen der Schau für Vertreter der internationalen Politik, wird
die Ausstellung ab 15. Mai (15 Uhr) bis 1. November öffentlich
zugänglich sein. Bis 27. Mai ist das Original des Staatsvertrages im
Marmorsaal zu besichtigen.
Drei "Spuren" ziehen sich links und rechts davon durch die
Prunkräume, wissenschaftlich erstellt – unter der Leitung von Günter
Düriegl – von Spezialisten in Politik, Wirtschaft, Zeitgeschichte etc.
Neben der hier hervorzuhebenden "Kunstspur" ist die auffallende
"Fahnenspur" in der Mitte eine teils in den Raum eingehängte
Installation mit vielen Möglichkeiten: Als rot-weiß-rote Welle oder zum
Gebirge aufgetürmt führt sie zu Punkten, an denen neue Techniken
zusätzliche Informationen bereitstellen: So sind Film, Foto, Sound und
Stimmen integriert. Architekt Michael Kohlbauer hat das Konzept mit der
Installations- und Mediengestaltungs-ART + COM AG Berlin erarbeitet.
Inhaltlich ist das Werden des demokratischen Österreich vor allem
mit der "Exponatespur" belegt. Anhand von Dokumenten und Gegenständen
spannt sie den Bogen vom Ersten Weltkrieg über Erste Republik, NS-Zeit,
Wiederaufbau, Staatsvertrag, Kaltem Krieg und Eisernen Vorhang bis hin
zu Wohlstands- und Krisenphasen der Zweiten Republik und
EU-Mitgliedschaft. Fragen der Identität, der Klischees und einer
Wirklichkeit ohne Abstriche (auch der Widerstand ist ohne ideologische
Abweichung kommentiert) sind dem Team wichtig. An der Finanzierung sind
neben Bund und Stadt Wien auch ein Personenkomitee um Hannes Androsch
privat beteiligt.
Die "Kunstspur"
Die von Tobias G. Natter erstellte "Kunstspur" wurde im Vorfeld
erweitert: Ist es die Attraktivität der Werke (aus dem Haus selbst,
zusätzlich internationale Leihgaben) oder identifizieren sich
Österreicherin und Österreicher tatsächlich über Bilder – wobei Klimts
Gemälden wie "Der Kuss" eine besondere Rolle zufiele?
Brechung durch Ironie
Jedenfalls sind Künstler wie Klimt und Schiele, die noch vom
fortschrittlichen Milieu der Monarchie – vor allem von jüdischen
Industriellen – gefördert wurden, ab etwa 1960 ungebrochen die
"Zugpferde" des Austro-Tourismus. Natter versucht aber auch, Oskar
Kokoschka und Albin Egger-Lienz mit ihren Antikriegsbildern in den
Vordergrund zu rücken, was sich angesichts eines eigenen Raumes zur
"Identität" durch die Klimtgemälde als schwieriges Unterfangen erweist.
An sich ist das aber ein autonomes Konzept, das den
gesellschaftlichen Prozess auch außerhalb des Landes im Exil mit dem
"politisch korrekten" Kokoschka, dazu Max Oppenheimer, Isidor Kaufmann
und Anton Kolig einerseits nachzeichnet, andererseits aber auch
kontrastiert und ironisiert. So interesseieren in der
Zwischenkriegszeit nicht zuletzt die Kinetikerinnen Erika Giovanna
Klien oder My Ullmann, die ebenso modern sind wie die
Expressionistinnen Helene Funke, Marie-Louise von Montesiczky, Broncia
Koller oder die zwischen Surrealismus und Abstraktion wechselnde Greta
Freist. Womit der Wortlaut der jetzigen Österreichischen Bundeshymne
"Heimat, bist Du großer Söhne" hinterfragt wird.
Die Gegenwart
Natter bemüht sich aber auch, in der Zeit nach 1970 bis heute auf
die in der Kunstgeschichte erst langsam akzeptierten Künstlerinnenn
nach Wotruba, Boeckl, Weiler, Hundertwasser Rücksicht zu nehmen: Valie
Export, Maria Lassnig, später Elke Krystufek und Ilse Haider, kommen
mit ihren Werken als kritische Reaktionen auf den
Wirtschaftsaufsaufschwung neben den Aktionisten zum Zug.
Brus' "Körperanalysen" wie sein richterlich verfolgtes Plakat mit
den Staatsinsignien (Fahne und Adler) dürfen da im Kontext nicht
fehlen. Attersee kommentiert mit außerirdischen Wesen die wesentlichen
Sehenswürdigkeiten im Land, Weinberger sammelt wissenschaftlich
akribisch "unsere" Ruderale (das Unkraut). Am Ende wendet Katharina
Schmidl den Besucherinnen und Besuchern ihr Hinterteil zu: es ist ein
aus lauter roten Trinkhalmen plastisch geformtes "schönes Stück
Österreich".
Im Rahmenprogramm werden u. a. auch Gespräche über die Entwicklung
der Kunst mit sieben wichtigen Künstlerinnen und Künstlern wie Nitsch,
Brus und Hrdlicka über Christa Hauer, Ilse Haider bis Elke Krystufek
angeboten. Der Katalog wird außer in Englisch und Deutsch auch in
Französisch und Russisch angeboten.
Dienstag, 10. Mai 2005