Einbürgerung für Künstler und Mäzene
Analyse. Anders als Anna Netrebko, Carl Djerassi und Donald Kahn peilten die Kandidaten der Kunsthalle Wien ein Gegengeschäft an.
Hedwig kainberger Wien (SN). Die vier Ausländer, die gegen Zahlung von je 1,4 Millionen Euro zugunsten der Kunsthalle Wien österreichische Staatsbürgerschaften erlangen wollten, haben äußerst unterschiedliche Biografien. Dies ist den Anlagen ihrer Ansuchen zu entnehmen. Wie berichtet, hat sich Gerald Matt als Direktor der Kunsthalle Wien jahrelang um die Gönner bemüht. Indische Anästhesistin: Sie studierte bis 2001 am Lady Hardinge Medical College in Neu Delhi. Zwei Jahre arbeitete sie als Anästhesistin in der Dominikanischen Republik, seit 2005 ist sie im St. Bernard’s Hospital auf Gibraltar. Kasachischer Banker: Geboren 1965 in Kasachstan. Er studierte Mathematik in Novosibirsk. Ab 1993 arbeitete er in Banken und im Yetsu Asset Management. Er gründete die Caspian Bank, deren Anteile er 2005 verkaufte. Dann übersiedelte er nach London.Russische Ehefrau: Geboren 1959 in St. Petersburg, russische Staatsbürgerin. Sie studierte Elektrotechnik und arbeitet in der Schiffbauindustrie, danach im Lebensmittelgroßhandel. Bald nach ihrer Heirat gab sie den Beruf auf. Sie verbringt viel Zeit in London.
Als der kasachische Banker nach langem Warten auf die Einbürgerung aus dem Kunsthalle-Projekt ausstieg, nominierte der Bregenzer Anwalt Horst Lumper sogleich den Ehemann der Russin, ebenfalls mit der Londoner Nobeladresse an der Knightsbridge. „Meines Erachtens dürfte es leichter sein, ein Ehepaar einzubürgern, das insgesamt EUR 2,8 Mill. der Kunsthalle bzw der Stiftung zur Verfügung stellt“, schrieb Horst Lumper an Gerald Matt und bat diesen um „ein entsprechendes Empfehlungsschreiben“.Kuwaitischer Konzernchef: Geboren 1969 in Kuwait. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Kuwait und war Bürochef in zwei kuwaitischen Ministerien. Er gründete ein Unternehmen, das er seit 2002 selbst leitet und das mittlerweile 19 Tochterfirmen – u. a. in Arabischen Emiraten, Bahrain und Katar – sowie 15.000 Beschäftigte hat und an der Kuwait Stock Exchange notiert.
Warum wollen die vier nach Österreich? Darüber lässt sich nur mutmaßen. Eine Erklärung bieten die Annehmlichkeiten als EU-Bürger: Freizügigkeit zum Arbeiten und Studieren (mindestens zwei der Bewerber haben Kinder), fast weltweite Reisefreiheit dank eines EU-Passes, fast bürokratiefreier Haus- und Wohnungskauf in der EU, Rechtssicherheit, verlässliche Banken. Und: Österreich ist ein ruhiges Land mit guter Infrastruktur und hat dank Landschaft und Kultur hohes Prestige.
Ein zweiter Grund kann im Schutz vor mafiösen Organisationen und vor – willkürlicher oder legitimer – Verfolgung durch die Justiz des Heimatlandes sein.
Ein dritter Grund ist der Reichtum. Darauf deutet die Tatsache hin, dass zumindest zwei der Gönner der Kunsthalle Wien von der HSBC Private Bank vermittelt worden sind. Wer, angenommen, über ein Vermögen von 100 Millionen Euro oder mehr verfügt, kann leicht 1,5 Mill. für eine Staatsbürgerschaft ausgeben, wenn sein Leben damit angenehmer wird als mit dem Kauf einer Segeljacht. Beziehung zu Österreich Einige Künstler und Mäzene sind in den Vorjahren zu Österreichern geworden. Die in Wien lebende Anna Netrebko gab unumwunden zu, sie beantrage die Staatsbürgerschaft wegen der Reiseerleichterungen. „Ich bin Sängerin und habe ein internationales Publikum, ich sollte nicht länger die erniedrigenden endlosen Anträge (für Visa) und Wartezeiten durchmachen“, sagte sie 2006. Für Donald Kahn ist glaubhaft, dass er Österreich und insbesondere Salzburg mag und hier sehr gern lebt. Carl Djerassi stammt aus Wien und musste 1938 fliehen. Alle drei haben also lange und persönliche Beziehungen in und zu Österreich.
Für die vier Gönner der Kunsthalle hingegen ist dies nicht zu erkennen. Sie kamen offensichtlich erst nach Antragstellung zu einzelnen Terminen nach Wien. Auch ist ihren Lebensläufen kaum ein kulturelles, mäzenatisches Engagement zu entnehmen. Die Russin schreibt, sie besuche „berühmte Museen, Galerien und Theater“; als Lieblingskünstler nennt sie Tschaikowsky, Monet und Van Gogh. Der kuwaitische Unternehmer schreibt unter „Hobbys“ einiges über Fußball, Jugend- und Wissenschaftsförderung sowie „Lesen“ und „Schwimmen“.
Außerdem ist den Unterlagen, die den SN vorliegen, zu entnehmen, dass eindeutig ein Gegengeschäft vereinbart war: Geld gegen Staatsbürgerschaft. Und offensichtlich war vorgesehen, die Namen der Gönner über eine private Stiftung zu verschleiern. Laut Entwurf der Stiftungsurkunde wäre ein Wiener Anwalt der Kanzlei Dorda Brugger Jordis alleiniger Erststifter, er hätte 200.000 Euro (vier Mal 50.000 Euro als erste Tranche der Gönner) eingezahlt. Bericht von gestern, Freitag, ist im Internet: www.salzburg.com/kultur