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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
04.03.2004
19:06 MEZ
Von
Markus Mittringer

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kunsthallewien.at

Bis 22. 5.
 
Foto: Kunsthalle Wien
Stilelemente aus Comics, kombiniert mit eigenwilligen Mechanismen ungeklärten Zwecks: Eva Hesse, "Untitled (Study for or after ,Legs of a walking ball')", 1965.

Wege in den Raum
Die Kunsthalle Wien zeigt mit "Transformationen" Eva Hesses Jahre in Deutschland

Leider nur das "Frühwerk" einer der nachhaltig prägendsten Künstlerinnen der 60er-Jahre.


Wien - "Was mir wichtig erscheint", sagte Eva Hesse, "ist, eine mir unbekannte Größe zu finden, welches Problem auch immer dadurch auf mich zukommt". Eva Hesse starb 1970 im Alter von nur 34 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors. Sie starb als sehr erfolgreiche Künstlerin. Sie gilt als zentrale Figur der 60er-Jahre. Ihr Leben war ein Drama. Ihr recht umfassendes Werk hat den Jahrzehnten standgehalten, immer noch geben sich ihre Zeichnungen und die Konsequenzen aus deren Raumgreifen, ihre Objekte, interpretationsresistent, passen bloß in die Schublade mit dem Schild "Eva Hesse".

Nach den letzten Retrospektiven in San Francisco Museum of Modern Art, im Museum Wiesbaden und der Londoner Tate Gallery zeigt nun die Kunsthalle Wien Transformationen der Vielvereinnahmten, einen konzentrierten Rückblick auf Hesses Zeit in Deutschland 1964/65 - samt Reprint ihrer Kalendereintragungen dieser Jahre.

Die bis heute wohl geläufigste Rezeptionskrücke findet sich im Umweg über Hesses Biografie. Sie wurde 1936 in Hamburg als Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts geboren. 1938 konnten ihre Eltern sie und die fünfjährige Schwester gerade noch in einen Zug weg aus Nazi-Deutschland stecken. Der Onkel, der sie in Holland abholen sollte, kam nicht, endete wie fast alle aus ihrer Familie im Konzentrationslager. Die Mädchen kamen in ein katholisches Heim. Erst '39 gelang den Eltern die Flucht aus Deutschland und mit den Mädchen nach New York. Eva war krank, ihre Mutter auch. Die Mutter zieht zu ihrem Psychologen, der Vater heiratet "ein Miststück, das auch Eva hieß - und dann eben auch Eva Hesse". Die Stiefmutter sollte, nachdem Evas Vater nach 15-jährigem Siechtum gestorben war, denselben Hirntumor überleben, an dem Eva Hesse kurz darauf starb.

Eva Hesse selbst studiert in Yale Kunst, heiratet den Bildhauer Tom Doyle, verbringt ein Jahr mit ihm Deutschland, begegnet Hans Haacke, Harald Szeemann, Arturo Schwarz, und - möglicherweise - Joseph Beuys. Zurück in New York, bleiben ihr knapp vier Jahre, anerkannt zu werden und ein "Spätwerk" zu liefern.

Neben Anfängen mit Malereien im Gefolge des abstrakten Expressionismus entwickelt sie Zeichnungen, die Surreales mit Stilelementen aus Comics und eigenwilligen Mechanismen ungeklärten Zwecks und Ursprungs zwischen Insekt und Maschine kombinieren. Den entscheidenden Schritt ins Räumliche setzt sie mit der Montage von Schnüren auf ihre Bildträger. Die Schau in der Kunsthalle dokumentiert diesen Wendepunkt. Die hierzulande wenig rezipierten Konsequenzen daraus, introvertierte Volumina aus Polyesterharz, fehlen leider. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.3.2004)


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