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Über den neuen Lübecker Totentanz des Malers Herwig Zens/ Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
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Womit ich den Tod könnt' überwinden . . .

300 Jahre Wiener Zeitung!Nach Werken zu den Totentänzen von Basel und
Füssen, nach 40 Radierungen zu den Mumien der Kapuzinergruft in Palermo, zahlreichen Interpretationen zu Schuberts "Der Tod und das Mädchen", einem Zyklus von Stillleben nach dem spanischen Vanitas-Spezialisten des Barock, Antonio Pereda, hat sich Herwig Zens 2003 dem Monsterprojekt eines neuen Lübecker Totentanzes zugewandt, den er wegen seines Umfangs nicht ausschließlich im Atelier malen konnte. Von Mai bis September hingen die - der mittelalterlichen Tüchleinmalerei ähnelnden - großen Leinwände in der St.-Marien-Kirche von Lübeck und erinnerten an die zahllosen verloren gegangenen Totentänze, die in Europa vom 15. bis ins 18. Jahrhundert entstanden sind. Sie dienten dazu, Ängste vor Pestepidemien, vor Kriegen und vor der "Lustseuche" zu bannen.

Es sind bildliche Beschwörungen voller Grotesken, Erotik und makabrer Gegensätze: Immer ist ein erstarrter Mensch dem Tod, in Gestalt eines Gerippes in wilder Tanzbewegung, gegenübergestellt. Alle Stände, Altersstufen und Geschlechter sind mit dem Knochenmann konfrontiert, der gerne als Musiker auftritt, seine abfallenden Fleischfetzen unter einem Mantel verhüllt, der behütet oder bekränzt ist.

Es sind bildliche Beschwörungen voller Grotesken, Erotik und makabrer Gegensätze: Immer ist ein erstarrter Mensch dem Tod, in Gestalt eines Gerippes in wilder Tanzbewegung, gegenübergestellt. Alle Stände, Altersstufen und Geschlechter sind mit dem Knochenmann konfrontiert, der gerne als Musiker auftritt, seine abfallenden Fleischfetzen unter einem Mantel verhüllt, der behütet oder bekränzt ist.
"Merkt auf der Pfeifen Ton, ihr sollet danach springen schon . . ." stand in den Totentanztexten, die noch älter sind als jene Zeiten, in denen Friedhöfe Orte eines seltsam pulsierenden Lebens waren und Händler, Prediger und Huren beherbergten. Der auf- und abschwellende Rhythmus der Verse und Mahnungen à la "Wer gut zu sterben wünscht, der möge richtig leben" sind für Künstler und Künstlerinnen bis heute eine große Herausforderung. Doch solche Spezialisten wie Zens gibt es selten.
Herwig Zens ist ein besonderer "Thanatologe", denn er schlüpft zuweilen selbst in die Rolle des Todes, so etwa als zartliebender Ehemann am Ende des Baseler Totentanzes (die Klavierspielerin im Abendkleid ist seine Gattin Gerda). Sein Naheverhältnis zum Tod resultiert aus persönlicher Erfahrung: Die Großmutter war Vorsteherin des Friedhofs in Himberg, und die ersten Erinnerungen des Malers gelten einem bedrohlich in den Bauernhof der Großeltern eingedrungenen russischen Panzer, den Bombenruinen Wiens und der Beinprothese des aus dem Krieg heimgekehrten Vaters.
Das Heroische wurde ihm solcherart zum Gräuel - und blieb allein das Vorrecht des Todes. Den rasenden Lebenshunger als Student bezahlte Zens mit einem frühen Herzinfarkt - und seit seiner persönlichen Konfrontation mit dem Tod ist ihm das Bild ein Kampfplatz gegen diesen unfassbaren Partner aller Malerei. Sieht man sie nämlich als Abbild des Abwesenden, wie in der Schatten- und Ursprungslegende des römischen Dichters Plinius d.

Ä., ist sie Stellvertreterin des verschwundenen Körpers. Doppelsinnig wird von Zens nun der Tod selbst als Maler apotropäisch ins Bild gebracht, sein Ursinn und Paradoxon noch einmal umgedreht.
Wie schon Arnold Böcklin in seinem Selbstbildnis mit dem fiedelnden Tod gezeigt hat, ist dieser auch Inspiration; Arthur Schopenhauer bezeichnete denTod als den eigentlich inspirierenden Genius oder "Musageten der Philosophie".

Ä., ist sie Stellvertreterin des verschwundenen Körpers. Doppelsinnig wird von Zens nun der Tod selbst als Maler apotropäisch ins Bild gebracht, sein Ursinn und Paradoxon noch einmal umgedreht.
Wie schon Arnold Böcklin in seinem Selbstbildnis mit dem fiedelnden Tod gezeigt hat, ist dieser auch Inspiration; Arthur Schopenhauer bezeichnete denTod als den eigentlich inspirierenden Genius oder "Musageten der Philosophie". Im 20. Jahrhundert hat - so Philippe Ariès - der Tod seinen Status der Wildheit behauptet - und damit ist es nur legitim, dass Herwig Zens die von der Wissenschaft meist vernachlässigten Gefühle in seine zügig gesetzten, skizzenhaften Pinselstriche überträgt. Textur, Farbkontraste und das Mitwirken von Leinwandgrund und zeichnerischer Anlage suggerieren die rasch verrinnende Zeit für die Protagonisten des neuen Totentanzes.
Am 2. November läuft um 14.30 Uhr in "3sat" ein Film über die Entstehung des Lübecker Totentanzes: "Der mit dem Tod tanzt".
Bilder zur Entstehung des Totentanzes sind noch bis zum 22. November in der Galerie Peithner-Lichtenfels, 1010 Wien, Sonnenfelsgasse 6, zu sehen. Zu dieser Arbeit erscheint auch ein Katalog.


Erschienen am: 31.10.2003

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