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KHM/Palais Harrach: Paul Flora "Zeichnungen 1938-2001". Eine Retrospektive zum 80. Geburtstag

Herr der Raben von San Marco -und Meister der schmunzelnden Melancholie

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Nanu, in der von Touristen und Taubenfutter heimgesuchtesten Stadt der Welt streunen nur noch ein paar Pulcinellen, Arlecchinos und Pestärzte herum. Und der Markusplatz, der Weltrekordhalter in der Disziplin "mit Taubendreck zugesch . . ." (schon allein deshalb ein Weltkulturerbe für Ornithologen), ist jetzt eine Rabenkolonie. Ach so, der Paul Flora war wieder einmal in Venedig. Und hat sich ein bissl in der "natürlichen Auslese" versucht (sehr frei nach Charles Darwin).
Wie bitte? Hat dieser berüchtigte Tiroler in der "Hydrokultur Venedig" etwa sämtliche Gondeln seeuntüchtig gemacht (mit dem Enthusiasmus, mit dem die Schweizer in den Keller gehen und Löcher in den Käse schießen - oder so ähnlich)? Oder überall in Venedig ein Mittel namens "Touristenpfui" ausgestreut, zum Beispiel gentechnisch veränderten Juckreiz, der sich durch Tröpfcheninfektion auf alle Nichtvenezianer überträgt? (Flora: "Ich denke, jede Form der Kunst ist erlaubt, außer einer langweiligen." Zugegeben, das hat er in einem anderen Zusammenhang gesagt.) "Das große venezianische Rattenmeeting" legt freilich einen schaurigen Verdacht nahe. Dürfte eine Einsatzbesprechung sein. Wie die Pestflöhe strategisch optimal über die Touristenstadt verbreitet werden können. Aber keine Sorge, der gebürtige Vinschgauer ist nur auf dem Papier so. Deshalb ist es auch ein bloßes Vorurteil, dass der virtuos humorige Zeichner alle Tage an seinem Schreibtisch oben in der Innsbrucker Hungerburg sitzt, während sein Haupt von Raben umflattert ist.
Zum Achtzigsten widmet das Kunsthistorische Museum im Palais Harrach dem Meister der schmunzelnden Melancholie und deftig bösen Nostalgie und dem "Herrn der Raben vom Markusplatz" eine ansehnliche Retrospektive. Bis 12. Jänner. Und weil Paul Flora gar nicht so gern als Karikaturist gesehen wird, erwähne ich lieber nicht, dass er jahrelang für die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" in der Weltgeschichte herumkarikiert hat. (Ups, jetzt hab ich's doch hingeschrieben.)

Mammut in Tiroler Bergen

Apropos Nostalgie: Die knorrigen, verwurzelten Tiroler haben es ihm natürlich angetan. Schon aus patriotischer Voreingenommenheit. Stichwort: Da Hofa woas ("Die Schlacht am Bergisel, anno neun"). Und ein Mammut in den Tiroler Bergen ist halt auch kein brauchbares Haustier. Weil es zu ausgestorben ist? Falsch. Es ist zu bockig. Sogar wenn quasi nur noch seine Gräten übrig sind. Vier "Mander" in voller Tirolmontur mühen sich mit einem störrischen Mammutskelett ab. Gehen die damit vielleicht gerade ins Museum, in einem Anfall von zoologischer Vergangenheitsbewältigung, und die abgenagten Knochen wehren sich eben gegen ihre Musealisierung? Wird wohl doch eher ein uralter, paläolithischer Brauch sein. Das lustige "Mammutschupfen", nämlich ein Mammut über die Alpen schubsen. Der Bildtitel macht klar, dass wir da tatsächlich in der Steinzeit sind: "Vom frühen Leben in den Alpen." Wieso die Tiroler damals schon so ausgesehen haben wie heute? Der Ötzi, dieser Tiroler Urschütze (mit Pfeil und Bogen), hat ja nur seine Tiroler Tracht gerade nicht angehabt, als er sich gefriergetrocknet hat, sonst wären die Lederhose und die Stutzen ja eh für ihn verbürgt.
Nostalgie II: Den Wagner (der ist ja auch nicht mehr knackfrisch) hat er sich auch lustvoll vorgenommen, der Flora. Der hat bei ihm eine eindeutige Schwäche für nackige Adipositas-Walküren mit Wikingerhelm, also für Heldenjungfrauen im hautengen Evakostüm in Übergröße. Ist folglich ein Anhänger der WKK (der Walkürenkörperkultur). "Wagner mit Muse": Da spielt ein kleines, schüchternes Wagnerlein auf dem Schoß einer gewaltigen Brünnhilde "Hoppa, hoppa, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er: ,Hojotoho! Hojotoho! Haiaha, heiaha!' ". Ach nein, das schreit klein Wagner bestimmt schon lauthals, während er noch jauchzend den Walkürenritt auf den Knien seiner Muse absolviert und musisch inspiriert zu den beiden prallen "Haiahas" in Brünnhildes Dekolletee hingrapscht. Sogar für mich als Beinahe-Wagnerianerin komisch.

Elaborierte Kratzspuren

Ein 253.742tel der chinesischen Bevölkerung (nein, wahrscheinlich ein bissl mehr) hat der Flora ebenfalls porträtiert. Bildtitel: "3941 ernste Chinesen." Vor der chinesischen Mauer herumlungernd. Lapidar makaber: "Ein missglückter Schlittschuhlauf." Elegante, ambitioniert elaborierte Kratzspuren im Eis, verteilt über den ganzen Teich, und am Ende dann ein großes Loch in der Eisdecke. Und weil jetzt keiner gelacht hat, sehe ich mich darin bestätigt, dass man über den Flora besser gar nichts liest. Man hat mehr davon, wenn man sich seine Zeichnungen anschaut. Die müssen natürlich nicht immer lustig sein. Etwa sein Prachtblatt "Santa Maria della Salute, Luna", wo er sich schlicht der zeichnerischen Bravour hingibt (seinen Schraffuren beispielsweise und dem Mondscheingelb von Faber Castell).
Und was hat der Mann, der für Wohn-Nonkonformisten und andere Extrembergsteiger individualistische Penthäuser auf den "Gipfeln" der Wolkenkratzer gebaut hat, geantwortet, als man ihn nach den drei Dingen gefragt hat, die ihm ziemlich gut gefallen würden? "Provinz, Oktober, Trompetenblasen, was übrigens fast ein Gedicht ist." Auf die einsame Insel muss er das ja nicht mitnehmen. Der Oktober kommt sowieso irgendwann von selber hin. In der Galerie Gerersdorfer (Währinger Straße 12) gibt es noch mehr Flora. Wie jeden Advent. Und diesmal haben die "Floristen" (die Flora-Liebhaber) die Wände gleich am Vernissageabend geplündert wie eine Horde unartiger Kinder einen Adventskalender.

Erschienen am: 17.12.2002

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