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Den Wald erschlagen

Aufzählung (cai) Na ja, so verschieden sind Schweine und Bäume gar nicht. Jedenfalls nimmt man beides in den Mund. (Wenn man vorher Schnitzel beziehungsweise Blockflöten draus gemacht hat.) Und wenn es ein Formfleisch gibt (aus Restln zusammengepickte Schnitzel), wieso dann nicht auch "Form holz " (zusammengepappte Bäume)? Hat da also einer den Ehrgeiz, ganz Wien wiederaufzuforsten (mit billigem Formholz) und hat schon drei Stämme geschafft? Oder ist das da im ZS art KunstRaum ein Geduldsspiel? Denn Beni Altmüller hat immerhin dominosteinkleine Holzplättchen in einem akrobatischen Balanceakt bis zur Decke aufgestapelt. Noch mehr beeindruckt hätte mich nur, wenn jemand aus einem Teelöffel Kristallzucker ein Stück Würfelzucker gepuzzelt hätte – ohne Klebstoff. (Der Altmüller hat allerdings eh einen Pick benutzt.)

Mit handfester Sinnlichkeit wird hier dem Wald gehuldigt. Wolfgang Georgsdorfs Beitrag zum Jahr des Waldes sind umgehackte Baumstämme.(Ähm, von jenen überflüssigen Bäumen, die ihm die Sicht auf den Wald versperrt haben?) Und da lässt er zwei Billardkugeln drüberholpern. Ein Xylomat halt. Ein automatisches Xylophon. (Die Musik wächst ja sowieso auf den Bäumen. Okay, Geigen pflückt man nicht wie Kirschen.) Und Andreas Kattner gebärdet sich als Pygmalion, der zum Vegetarismus konvertiert ist. Statt Marmor durch Abbusseln in saftiges Fleisch zu verwandeln, schnitzt er Zypressen. Doch keine noch so feuchten Küsse könnten das tote Holz wohl aufwecken. (Ein Zahnstocher im Blumentopf wächst ja auch nicht zu einem Essstäbchen heran, bloß weil man ihn gießt.) Die Kunst ist aber wenigstens biologisch abbaubar. Wie die echten Zypressen daneben. VielschichtigeArbeiten. Geradezu intellektuell, die Romantik. ("Waldboden" ist übrigens kein zynisches Synonym, also Zy nonym , für "Parkettboden", der ja aus Wald besteht.)

ZS art KunstRaum
(Westbahnstraße 27), Jahr des Waldes, bis 8. März
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr

Das Maß aller Eier

Aufzählung (cai) Was war zuerst da: die Henne oder die Schweinerei? (Tschuldigung: nicht Schweiner -Ei. Hühner -Ei!) Agnieszka Polska muss eine große Überredungskünstlerin sein, weil sie Pawel Freisler dazu gebracht hat, sie (und ihre Kamera) durch seinen ganz privaten Garten zu führen und die Welt über das Wunder des Blühens aufzuklären. Und als der Künstler plötzlich ein Ei aus dem Gebüsch fischt, wär’ eigentlich die Klärung der Henne-Ei-Frage fällig. Aber wieder nix. Das ist bloß das Norm-Ei aus Stahl, das Maß aller Hühner-Eier, der Prototyp der Lege-Einheit Ei. (So wie ein Metalllineal den Meter verkörpert.) Und außerdem werden wir hier gepflanzt. Den Künstler mit den heftigen Botanik-Attacken, Gärtnerallüren, gibt’s zwar tatsächlich. Das Ei hat er auch "gelegt". Doch die Doku ist nix als eine plausible Lüge. Hat Polska also die Kunstgeschichte gefälscht? Nein, bloß die Wahrheit liebevollrekonstruiert. Die gekünstelte Natur in ihren Fotomontagen rundet den Schwindel ab. Surreale Gewächse.

Georg Kargl Box
(Schleifmühlgasse 5), Agnieszka Polska, bis 5. März
Di.– Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Drei, zwei, einkaufen

Aufzählung (cai)(Der Countdown vorm Schlussverkauf? Oder vorm Weltuntergang?) Eigentlich muss man nur bis drei zählen können. Dann weiß man nämlich, wie viele Maler da ausstellen. Und die sind leicht auseinanderzuhalten. Grafisch streng: Hendrik Krawens Stadt voller Konsumenten. Die Hektik erstarrt wie die Mücke im Bernstein. Dietmar Lutz: lockere "Idyllen" (Regenschirme im Hochwasser). Und in Dominik Loudas Räumen passt irgendwas nicht. Überall leichtes Unbehagen. Ihre malerischen Qualitäten haben alle drei.

Kerstin Engholm Galerie
(Schleifmühlgasse 3), Krawen, Lutz, Louda, bis 5. März
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

 

Printausgabe vom Mittwoch, 23. Februar 2011
Online seit: Dienstag, 22. Februar 2011 17:35:00

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