DER STANDARD, 23. Juni 1998


Roboter als Kunstform in der Kognitionswissenschaft

Von der Evolution smarter Kunstmaschinen

Die Beziehungen zwischen Technologie, künstlichem Leben und bildender Kunst erläutern die Wissenschafter Inman Harvey und Kevin Warwick in einem Standard-Gespräch anläßlich der "Robotronika".


Doris Krumpl

Wien - Die Forschungsobjekte der beiden Herren könnten auch als Kunstwerke durchgehen. Die beiden entsprechen weniger dem Bild des honorigen Wissenschaftlers als dem des Entertainers, der Jahrmarktsattraktionen feilbietet. Dabei sind die Briten Inman Harvey und Kevin Warwick so etwas wie Kapazunder im Bereich der expandierenden Roboterforschung: Harvey beschäftigt sich mit der Evolution künstlichen Lebens im Centre for Computational Neuroscience and Robotics auf der Uni Sussex, Warwick vom Kybernetik-Institut der Uni Reading mit dem Lernverhalten von Robotern.

Samstag weilten sie anläßlich der Robotronika, die heute zu Ende geht, im Museumsquartier. Die vom umtriebigen Institut für Kulturtechnologien t0 konzipierte Veranstaltung samt Ausstellung gewährt Einblick in aktuelle Entwicklungen auf dem Feld der künstlichen Intelligenz und des künstlichen Lebens. So bringt etwa - von der Seite der Künstler - ein archaisch gebastelter Gitarrenspieler-Roboter seine Soli vor, wobei die Lernprozesse, z.B. nach einer Hendrix-Lektion zu verfolgen sind. Ob er flotter klampft oder sich in Blues-Stimmung befindet, das kann sein Schöpfer nicht bestimmen: dafür sorgt der Apparat schon selber.

"Entwickeln ist vielleicht nicht das richtige Wort für unsere Tätigkeit", meint Harvey über seine wissenschaftliche Arbeit, "es ist eher ein Beobachten. Wir verstehen oft nicht, warum die Roboter etwas tun, worauf sie nie programmiert wurden.". Sein Team produziert in kürzester Zeit Generationen von neuronalen - grob gesagt wie ein Gehirn aufgebauten - Computern, deren "Gene" immer wieder ein neues "Gehirn" produzieren.

Darwinsche Auslese bei Maschinen: Jene, die aus 50 gleich konstruierten Computern neue, andere Merkmale von sich aus zeigen, dürfen "Babys bekommen". Und so geht das wieder weiter mit der neuen Generation, wo die smartesten, oder die, "die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren" (Warwick) "weiterleben" dürfen.

Warwick beweist mit seinen Sieben Zwergen - sieben Minirobotern - daß und wie Roboter lernen können und im Verein mit anderen Kollegen ihr Sozialverhalten entwickeln - auf ganz simple Weise.

Rolle der Kunst

Welche Rolle spielt die Kunst auf diesem Gebiet? Für Warwick ist dies ein Viceversa der beiden Disziplinen, da speziell die kognitive Wissenschaft auch allgemeine Fragen beinhalte: "Jeder lernt hier vom anderen. Die Künstler erfassen oft gleiche Probleme ganz anders." Sie stellen ihre "Produkte" in Frage und umgekehrt. Sogar Roboter sieht er als Art von künstlerischem Ausdruck einer Message, die "rüberkommen" soll. In seinem Falle ist dies: Computer können lernen. "Was heißt das für die Kunst weiter? Sie können kreativ sein, Musik komponieren".

Ethik-Fragen

Harvey ergänzt: "Robotik ist deshalb interessant, da es sich nicht um bloß mechanische, sondern um lebensähnliche Dinge handelt. So kommt es zu Fragen wie: Was heißt lebensähnlich? Künstlerische, soziale, grundlegend philosophische Fragen tauchen da auf - die bis zur Ethik reichen." Solche Ideen seien in der Kunst wie in der Science-fiction in verschiedensten Perspektiven längst angelegt - Stelarc ist laut dem Experten so eine Person. Von Dingen wie Robocop sei man allerdings Lichtjahre entfernt. Jeder von den Sieben Zwergen hat gerade über 40 verknüpfte Neuronen, ungefähr das Hirn einer Schnecke.

Harvey sollte einmal für die britische Armee arbeiten, er verweigerte: Doch ein Kollege sprang ab und gab die Forschungen weiter. Ein naiver Glaube, auf der Uni einfach nur zu zeigen, was möglich ist, im Guten wie im Bösen? Ein ewiges Dilemma. "Beispiel der Kriegsführung mit intelligente Maschinen: Ein Kampfflieger mit einem menschlichen Piloten hätte gegen einen maschinellen nicht die geringste Chance", sagt Warwick.

"Die bestmögliche Situation wird die sein, daß sich die Systeme selbst bekämpfen" scherzt sein Kollege.


© DER STANDARD, 23. Juni 1998
Automatically processed by COMLAB NewsBench
<
 zurück zur Übersicht