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Kunstberichte
Albertina: Pop-Art Künstler Mel Ramos. Girls, Candies & Comics

Appetit auf Vulgäres

Mel 
Ramos "Della Monty" aus dem Jahr 1971 Foto: VBK Wien, 2011

Mel Ramos "Della Monty" aus dem Jahr 1971 Foto: VBK Wien, 2011

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Diese Malerei kann als zynischer Kontrapunkt zu 100 Jahre Frauentag in diesem Jahr empfunden werden: der 1935 im kalifornischen Sacramento geborene Melvin John (Mel) Ramos ist einer der letzten lebenden Vertreter der Pop-Art. Nach seinem Studium bei Wayne Thiebaud traf er Anfang der 60er Jahre auf Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Jim Dine, mit denen er seit 1963 weltweit ausstellte. Er vertritt aber wie kein anderer das leichte Lebensgefühl und den seichten, realistischen Malstil der Westcoast, der jede Intellektualität und Schwere in der Kunst ablehnt.

Werbung, Comics und erotisch aufreizende Posen der Pin-ups in den populären Playboy-Heften sind seine Themen. Glatt, werbegrafisch perfekt und mit Blick auf Ikonen der Kunst neben Labels von Cola, Ketchup oder Chiquita verbindet sich sein einseitiger Blick auf die Frau als aufreizendes Konsumwesen. Die Feministinnen der 70er Jahre haben Ramos seine Beteuerung, er liebe Frauen, nicht abgenommen, sondern als Zynismus abgetan. Doch seine Position bleibt ambivalent.

Selbst stellt er sich als Amor bei Psyche dar. Es ist nicht klar, ob er unsere seichte Kultur anklagt und dabei Gebrauchsgrafik zur Hochkunst stilisiert, oder ob seine lasziven weiblichen Akte schlicht sexistisch sind. Um das Pathetische des abstrakten Expressionismus oder die elitäre Minimal-Art zu kritisieren, hat Ramos sich früh der Figur und Comichelden zugewandt.

Frau als Objekt mit Zündkerze

Sein "Walking Girl" von 1960 und frühe Zeichnungen zeigen Talent, die zusätzliche Auswahl von 40 Blättern aus seinem privaten Besitz für die von Tübingen übernommene Wanderschau "Mel Ramos. Girls, Candies & Comics" unterstützt das. Von Typen wie "Wonder-Woman" zu "Lucky Lulu Blonde" war der Weg nicht weit, jedoch wenden Ramos’ Akte ab etwa 1965 die Frau zum Objekt, indem sie eine Zündkerze umarmen oder aus der Bananenschale steigen. Braungebrannt, auf hochhackigen Schuhen, mit weißen Bikinistreifen, wirken sie aggressiv und allein für männliche Blicke geschaffen. Frauen zu Fans dieses Werks zu machen ist unmöglich, sie empfinden das identitätslose "sex sells" als Angriff, auch wenn es möglicherweise gesellschaftskritische Untertöne verbirgt.

Dabei entgeht Ramos nicht dem Vorwurf, diese Trennung nicht deutlicher vollzogen zu haben. Sigrid Ruby macht den Klischeevorwurf, die normative Schablone vor allem an den lasziven Krankenschwestern in Ramos’ Werbekampagnen dingfest, hier ist die Koketterie nur noch eindimensional und herabwürdigend.

In seiner Aufarbeitung der Kunstgeschichte von Goya über Ingres bis Bonnard und De Kooning macht sich der Hang der Pop Art zum Kitsch bemerkbar – damit ist Ramos ein Vorläufer von Jeff Koons. Postmoderne Spiele wie in der Serie "The Artist’s Studio" und den Landschafts- und

Architekturversatzstücken zum US-amerikanischen Traum erlösen Betrachterinnen vom belastenden Eindruck, ausschließlich vor Gemälden eines Frauenverachters zu stehen, der das "Vernaschen" von Käse und Körper gleichsetzt. Noch ein Trost: Als Gegenbilder wird die Albertina in zwei Jahren die feministische Avantgarde präsentieren.

Aufzählung Ausstellung

Mel Ramos
Girls, Candies & Comics
Klaus Albrecht Schröder (Kurator)
Albertina
bis 29. Mai 2011

 

Printausgabe vom Mittwoch, 23. Februar 2011
Online seit: Dienstag, 22. Februar 2011 16:21:07

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