E = m mal Cola 2
![Aufzählung Aufzählung](00082663-Dateien/wzfeld.gif)
(cai) Stellen Sie sich vor, Sie finden auf dem Dachboden ein
unbezahlbares Edelsparschwein von Fabergé und drauf pickt folgende
Notiz: "Habe ein Papierl mit der geheimen Formel von Coca-Cola
hineingesteckt." Was tun Sie? (Denn offenbar befinden Sie sich in einem
"Glückskeks-Dilemma", wo man das eine, das Keks bzw. das Schweindl,
zerstören muss, um an das andre, das Zetterl, ranzukommen.)
a) Sie holen den Hammer, weil die Neugier halt stärker ist als der
Denkmalschutz (und bekommen dann eventuell zu lesen: "E = m mal Cola 2
"). b) Sie versteigern das Schweindl auf Ebay und hoffen, dass der
reiche Coca-Cola-Konzern paranoid genug ist, um mitzubieten. Ach, ist
eh egal, was Sie tun. In diese Situation kommen Sie sowieso nicht. Aber
in eine ähnliche, sofern Sie Roman Ondáks Opus "Snap shots From
Baghdad" kaufen. Eine mysteriöse Wegwerfkamera. Nein, keine von
Fabergé, doch immerhin wird behauptet, auf dem Film, der drin ist,
wären irakische Impressionen. Sollen Sie den Film nun entwickeln (und
das Kunstwerk damit ruinieren) oder glauben Sie gleich , dass alles ein Schmäh ist?
Ondáks Kunst regt die Fantasie an. Was hat in einem begehbaren Kubus
eine Linie in 174 cm Höhe zu bedeuten? Dass der Künstler 1,74 m groß
ist! Ein Minimal-Selbstporträt quasi. Und wenn sieben Frauen, die ihr
Gewand verkehrt anhaben, durch San Francisco spazieren? Sind das am
End’ feministische Linksradikale, die ihre Wäsche nicht nur von links
waschen und bügeln, sondern auch von links tragen ? Nein,
das heißt bloß, dass der Ondák sie dazu angestiftet hat. Wie er ein
andermal Dutzende Leute dazu gebracht hat, am Panamakanal einträchtig
Steine zu platteln. Die sanfte Provokation kriegt er ja ziemlich gut
hin.
Galerie Martin Janda
(Eschenbachgasse 11) Roman Ondák Bis 1. November Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr
Die Diktatur des Fleisches
(cai)Die haben sich ja nur für die Kunst ausgezogen. Gut, das sagen die
Damen von der gewissen Seite sieben (oder elf?) sicher auch, aber auf
diese Personen hier trifft es womöglich wirklich zu. Die Anweisungen
des Fleisch-Dompteurs haben sie penibel befolgt. Im Juni nämlich, als
der Spencer Tunick das Ernst-Happel-Stadion eingeweiht hat mit
dekorativ über die kolossale Architektur verteilten Nackerpatzln. Ist
das opulente Synchronposieren jetzt Demokratie (weil ja nackte Menschen
gleicher sind als bekleidete, zumal keiner mit seinem Adidas-Leiberl
angeben kann) oder eine Diktatur des Fleisches mit gleichgeschalteten
Leibern? Dass einer es schafft, dass sich fast 2000 vor ihm entblößen
und dann so ausdauernd kooperieren, schon das ist eine enorme Leistung.
(Massenhysterischer Exhibitionismus? Eher nicht.) Doch warum müssen
alle nackert sein? Vielleicht weil Michelangelos David auch
nix anhat. Künstlerische Freiheit. (Okay, wenn auf einem Foto Männer
wie Sardinen herumliegen und jeder einen Fußball vor sein Sensibelstes
hält, ist das ein bissl plakativ.)
Hilger Contemporary
(Dorotheergasse 5) Spencer Tunick Bis 4. November Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr
Der ehrliche Kitsch
(cai)Zuerst war ich ja schockiert, dass da einer den altehrwürdigen
Meeresgott Neptun (der sicher auch für die Badewanne zuständig ist) in
die Niederungen der Schwimmflügerln herunterzieht. Zumindest schaut der
beim Martin Schrampf aus wie ein aufblasbarer Spielgefährte fürs
Planschbecken. Wie ein Gummifisch, in den ein Asthmatiker seine letzte
Puste hineingeröchelt hat. Doch schnell bin ich dem heiteren Charme
dieser verschmitzt respektlosen Metallskulpturen verfallen, wo sich
Humor und handwerkliches Können zum "ehrlichen Kitsch" oder gar zur
Situationskomik vereinen und sich Eisenwürfel aufplustern wie
superpralle Luftballone.
Galerie Artefakt
(Strauchgasse 2) Martin Schrampf Bis 30. Oktober Mo. – Fr.: 13 – 18 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 22. Oktober 2008
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