Visuelle und musikalische Note
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Ausstellung über Hanne Darboven (geb. 1941 in München),
einer der Begründerinnen der Konzeptkunst, kommt aus dem Westfälischen
Landesmuseum von Münster und wird noch bis 23. November im MUMOK auf Ebene
6 und 7 präsentiert. Das Wiener moderne Museum verfügt seit 1979 über ein
frühes Hauptwerk der Künstlerin, "Ein Jahrhundert (Bücherei)" von 1971/72;
das nun aufliegende kommentierte Werkverzeichnis erstellten Elke Bippus
und Ortrud Westheider (gedruckt von Walther König in Köln). An sich
ist Konzeptkunst eine sperrige Materie für Ausstellungen - bei Hanne
Darboven handelt es sich um Konstruktionszeichnungen, Bücher, Tabellen,
Alben und in Form von Zeichnungen, Zeitungsausschnitten und Fotos
gesammelte Dokumentationsstücke, die auf den wesentlichen Zeitfaktor
dieser Richtung verweisen. Dabei gestattet sich die Künstlerin aber auch
Abweichungen von den strengen, mathematischen Regeln, die als Ironiefaktor
Aufheiterungen einbringen und uns auch klar machen, wie sehr Geschichte
(nach wie vor) konstruiert wird, wie manipulierbar auch
Dokumentationsmaterial ist. Es sind aber auch die Heroen der Darboven
aus diesem Material zu filtern: Willy Brandt, Heinrich Heine, Baudelaire,
Rilke, Sartre - unsichtbarer, aber auch spürbar bleiben die Vorbilder Sol
LeWitt, On Kawara, Roman Opalka usw. Im New York der späten Sechzigerjahre
hatte die Münchnerin LeWitt, Carl Andre und andere getroffen und widmete
sich der Systematisierung ihrer Zahlenfolgen und den ersten geometrischen
Konstruktionszeichnungen auf Millimeterpapier (sie erklärt die Zahl zu
einer der wenigen "wirklichen" Erfindung der Menschheit). Trotzdem hat
sie die Referenzlosigkeit und völlige Abstrahierung der Minimal-Art mit
konkreten Inhalten bereichert und auch in die seriellen schriftlichen
Notationen solche Bezüge eingebracht - der "Buchstäblichkeit" wurde also
doch ein persönliches Dasein im Zeitenlauf entgegengestellt. Die
Quersummen ihrer Kalenderdaten (jeden Tag werden mehrere Folgen in Büchern
und Tabellen geschrieben) haben natürlich auch eine eigene ästhetische
Qualität, obwohl keine unbedingte künstlerische Wirkung allein erreicht
werden soll. Quantitativ handelt es sich um 1.440 Bücher und Aktenordner
sowie 2.600 gerahmte Blätter und seit 1979 hat Darboven auch den Sprung
von der Zahl in die minimalistische Musik gewagt (während der Ausstellung
werden auch einige Kompositionen serieller Tonfolgen zur Aufführung
gebracht). Hanne Darboven hat an den Documetas 5, 6 und der letzten,
11 (2002), teilgenommen und sie war 1982 auch auf der Biennale in Venedig
vertreten, gewann viele Preise und ist in der Universität der Künste in
Berlin Mitglied sowie Ehrenprofessorin an der Uni der bildenden Künste
Hamburg. Parallel ist in der Factory des MUMOK der 16-mm-Film "A Man
of the Crowd" von Matthew Buckingham (geb. 1963, lebt in New York) nach E.
A. Poes Erzählung in verwirrender Doppelprojektion zu verfolgen: er
entstand 2003 in Wien und stellt jene 24-stündige Verfolgung eines Mannes
im London des 19. Jahrhunderts nach, die keine Auskunft über die Person
ergibt. Allein durch die Selbsterkenntnis über das Nichtwissen, die
Entfremdung im urbanen Leben und die Aktualität einer Wiederholung
visueller Nichtkommuniezierbarkeit (mit dem männlichen Flaneur im weiblich
konnotierten Stadtraum) ist das allerdings ein eindrucksstarkes Ergebnis.
Erschienen am: 11.11.2003 |
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