Schlangestehen für
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Documenta11 documenta, Lebenslauf einer Institution, Teil
2 Von Sabine B. Vogel 7. Mai
2002 1972 wird zum
entscheidenden Jahr der documenta-Geschichte. Arnold Bode beugt sich
der massiven Kritik und unterstützt die Suche nach einem neuen
künstlerischen Leiter, "Generalsekretär" genannt.
documenta 5, 1972
Der Schweizer Szeemann
entwickelt mit einem Team, zu dem Jean-Christoph Ammann und Bazon
Brock gehören, ein nachhaltig wirksames Konzept. Er setzt den 17
Jahren Isolierung der Kunst aus politischen und gesellschaftlichen
Zusammenhängen seine „Befragung der Realität - Bildwelten heute"
entgegen. Statt der Bodeschen Kompensationstaktik setzt Szeemann auf
die Frage nach der Funktion von Kunst und postuliert die
„Veränderung der Wirklichkeit durch Veränderung ihrer Darstellung
und der Erkenntnisinstrumente".
Religion, Werbung, Banknoten,
Plakatpropaganda, Science Fiction, Sozialistischer Realismus,
Geisteskranken-Kunst, Film, Museen stehen gleichwertig neben
konzeptuellen und analytischen Bildwelten. Trotz massiver Kritik vor
allem aus konservativen Kreisen und heftigen Attacken des
Rechnungshofs - Szeemann überzog seinen Etat von 3,5 Millionen Mark
um mehr als eine halbe Million - ist die documenta 5 als
interessanteste und einflussreichste in die Ausstellungsgeschichte
eingegangen.
Der diesjährige Leiter Okwui
Enwezor bezieht sich 2002 sogar ganz explizit auf Szeemanns Konzept.
Ähnlich der Documenta11 hatte übrigens auch Harald Szeemann 1972 mit
einer schwer wiegenden Konkurrenz zu kämpfen: 1972 war das Jahr der
Olympiade in Deutschland. Dieses Jahr muss sich Enwezor gegen die
Fußball-WM behaupten und die Besucher vom Fernsehschirm weg nach
Kassel locken.
documenta 6, 1977
Die documenta 5 postulierte
überzeugend, dass Kunst Teil gesellschaftlicher und politischer
Entwicklung ist - und nicht erst durch eine Ausstellung
hineingestellt wird. Aber schon der nächste Leiter entzog sich
dieser Einsicht wieder. Manfred Schneckenburger wählte 1977 den
vagen Untertitel „Malerei Plastik Performance". Er zeigte dazu zwar
noch die neuen Medien Video und Experimentalfilm, aber mit den
Fotografie-Pionieren und der zahlenmäßig umfangreichsten Abteilung
„Handzeichnungen“ knüpfte er wieder an Bodes erste documenta an.
Im Vorwort zu dieser
documenta spricht Kassels Oberbürgermeister Hans Eichel von der
Kunst als „Prüffeld der Freiheit" - welche Freiheit stand hier zur
Debatte? Gerade diese documenta 6 war wie keine zuvor von Skandalen
geschüttelt. Maler hängten ihre Bilder ab, um gegen die Beteiligung
von DDR-Kollegen zu demonstrieren. Mitarbeiter des Ausstellungsteams
erklärten am Eröffnungstag ihren Rücktritt. Die von Szeemann
gewählte Freiheit allerdings, Kunstwerke und Kulturprodukte nicht zu
trennen, verlor sich in Schneckenburgers kunsthistorischen
Kategorisierungen. Trotzdem blieben vor allem die Raum füllenden
Installationen wie Haraguchis Ölwanne, Tony Craggs
Sperrmüll-Arrangement und Beuys' "Honigpumpe" nachhaltig
beeindruckend und bedeutsam.
documenta 7, 1982
Zur nächsten documenta trat
dann ein großes Team unter der Leitung des Holländers Rudi Fuchs an.
Dazu gehörten Johannes Gachnang, Gerhard Storck, Germano Celant und
C. v. Bruggen. Erst kündigte Fuchs eine Schau „wie ein Gedicht" mit
nur 40 Künstlern an. Am Ende zeigten 167 Künstler rund 1.000 Werke,
flankiert von poetischen Romantizismen wie „der Künstler sucht ein
gefährliches Abenteuer" oder „einen Garten für die einzelnen Blüten
anlegen".
Im Katalog wollte man „der
Würde der Kunst gerecht zu werden", statt Erklärungen zu den Werken
folgen nur die Biographien der Künstler. Statt theoretischer
Textbeiträge kommen August Strindberg, Hölderlin und Goethe zu Ehren
- ausgestellt sind allerdings deutlich konzeptuelle Werke wie etwa
Hans Haackes Foto-Serie von Häuserfassaden und leeren Grundstücken,
Werke von Art & Language, Joseph Kosuth oder Sherrie Levine und
Beuys' legendäre Aktion "7.000 Eichen für
Kassel".
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