28.11.2001 17:16:00 MEZ
Ferdinand Schmutzers verborgene Fotos
Ausstellung im Fotomuseum WestLicht: Porträts und Landschaften

Wien - "Verehrter Herr Prof.", schrieb Sigmund Freud 1926 an Ferdinand Schmutzer, "Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen für die Mühe zu danken, die Sie sich mit der Wiedergabe meines garstigen Gesichts gegeben haben und die Versicherung zu wiederholen, dass ich mich erst jetzt als aufbewahrt für die Nachwelt fühle." Der Begründer der Psychoanalyse bezog sich auf Radierungen, die der gefragte Porträtist Schmutzer (1870-1928) von ihm angefertigt hatte. Hinter dem bekannten Radierer ist ab Donnerstag der begabte Fotograf in einer Ausstellung des privaten Fotomuseums WestLicht in Wien zu entdecken.

Schmutzer, Spross einer alten Wiener Künstlerfamilie, studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und stand dieser später auch als Rektor vor. 1914-17 war der prominente Künstler, dessen Villa in der Sternwartestraße einer der Mittelpunkte des Wiener gesellschaftlichen Lebens der Jahrhundertwende war (Nachbar Arthur Schnitzler verkehrte hier ebenso wie Felix Salten, Hermann Broch, Pablo Casals oder der Herausgeber der "Neuen Freien Presse" Moritz Benedikt), auch Präsident der Wiener Secession. In seinem Werk hat er wesentlich zur Emanzipation der Druckgraphik als eigenständige Kunstäußerung beigetragen, als "Porträtist des Wiener Geisteslebens" würdigte ihn 1998 eine Ausstellung des Wiener Kupferstichkabinetts.

Was einer breiten Öffentlichkeit bisher nicht bekannt war, zeigt nun eine Ausstellung, die einen Einblick auf einen Schatz gewährt, den Schmutzer-Enkel Matthias Peschke hütet: Der Graphiker und Maler hat auch ein umfangreiches fotografisches Werk hinterlassen, das in seiner Qualität weit über simple Vorstudien für seine Radierungen hinausgeht und rund 3.000 Glasnegative und 400 Vintage-Prints umfasst. Die von Anna Auer kuratierte Schau zeigt eine 120 Bilder umfassende Auswahl und stellt häufig den historischen Vintages nicht nur neue Abzüge von den alten Negativen gegenüber, sondern zeigt immer wieder auch jene Radierungen, die später daraus entstanden.

Den deutschen Kaiser Wilhelm II. sieht man auf einer großformatigen Radierung, daneben hängt ein Selbstporträt Schmutzers, auf dem er zuvor in Kaiser-Uniform die passende Heldenpose ausprobierte. Eine Radierung des greisen Rudolf von Alt sieht man ebenso neben den entsprechenden Fotostudien wie Albert Einstein, Sigmund Freud oder Pablo Casals. Schmutzer erweist sich in seinen Fotos nicht nur als Meister von Licht und Schatten, sondern auch als einfühlsamer Porträtist, der, so erzählt sein Enkel, mit Kaisern (auch Karl I. ist vertreten), Politikern (wie Karl Lueger und Karl Seitz) und Künstlern (wie Josef Kainz oder Leo Slezak) gleichermaßen leicht ins Gespräch kam. Dass es sich dabei nicht nur um historisch, sondern auch künstlerisch wertvolle Dokumente handelt, beweisen auch die Landschaftsimpressionen, die Schmutzer von seinen Reisen etwa aus Frankreich, Ungarn oder Holland mitbrachte. (APA)


Quelle: © derStandard.at