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Sabine B. Vogel Die Räume sind verdunkelt, die verzierten Wände des Palazzo mit Tüchern abgedeckt. Eine Filmleinwand, ein Klavier davor, einfache Sitzbänke und ein Sofa – mit diesem schlichten Setting empfängt João Penalva die Besucher des portugiesischen Pavillons.
João Penalva, Portugal Pavillon im Palazzo Vendramin ai Carmini

links: João Penalva · R, 2001, Installationsansicht, Foto: Stephen White

Zur unbewegten Kameraeinstellung auf einen See liest eine weibliche Stimme einen Brief vor: Gedanken, die von kleinen Erlebnissen berichten, die im Zusammenhang mit einem eben erhaltenen Literaturpreis stehen. Der Briefschreiber beginnt einen Vergleich mit Walther von Stolzing und seinem Schwarm Eva – zwei Figuren aus Richard Wagners
‹Meistersinger von Nürnberg›. ‹R› betitelt João Penalva seine eindringliche Installation, zu der neben diesem Film mehreren Vitrinen mit Partituren und Faksimiles Wagners gehören, sowie Schwarzweissfotografien aus älteren Aufführungen und von Siegerpodesten. Darüber legt sich die Tonspur eines weiteren Films. Dieser beginnt mit einem Zitat aus derselben Oper – einer Liste von Regeln für die Meistersinger. Darauf folgt ein faszinierend gewählter, kurzer Ausschnitt eines Ringturners. Im letzten Raum zeigt die Kamera ein kohlendes Feuer auf einer Waldlichtung, dazu wird ebenfalls ein Brief vorgelesen, der mit einem Zitat aus Cosima Wagners Tagebuch beginnt. Woher nimmt Penalva den Wagner-Bezug? Wagner lebte 1882 und starb 1883 in Venedig. Sein ‹Meistersinger› gehört zu den umstrittensten Werken, da es eindeutig nationalistisch geprägt von Deutschtum und deutschen Werten spricht – eine Anspielung auf die nationale Ausrichtung der Biennale? Deutlicher ist allerdings die Metapher des Wettkampfs, die sich durch sämtliche Teile der Installation zieht – offensichtlich eine Metapher für die Konkurrenzsituation an der Biennale. In dem Bühnenwerk wird auch die Frage der Beurteilung der Darbietung – vom Volk oder von Kritikern (Meistern) – thematisiert. Wagner war zeitlebens höchst misstraurisch gegenüber Kritikern, ein Detail, das Penalva in einer weiteren Vitrine aufgreift: ‹5 very bad reviews of productions of Wagner´s ‘Die Meistersinger von Nürnberg’ crumbled into balls› ist zu sehen und lesen. Und zwischen all den Fotografien stehen kurze Zitate aus dem Libretto: ‹Wahn! Wahn! Überall Wahn!› ‹Nun, Meister, Kündet´s an!› – eine unerwartet intensive, faszinierend subversive Installation! Mit ausführlichem Katalog.

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Ausgabe: 09 / 2001
Ausstellung: Biennale (10.06.2001 - 04.11.2001)
Institution: La Biennale di Venezia (Venezia)
Autor/in: Sabine B. Vogel
Künstler/in: João Penalva

 

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