Die Nachnutzung des industriellen Raums


Arbeitsprozesse und -bedingungen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Lohnbedingte Abwanderungen und der Übergang zur postindustriellen Produktionsweise ziehen überall in den Städten der westlichen Welt Industriebrachen nach sich. Um solche "weißen Flecken" wieder aufzufüllen, aber auch um den geänderten Bedürfnissen nach Unterhaltung gerecht zu werden, bieten sich derartige Räume geradezu an, kulturell genutzt zu werden.

Was tun?

Noch 1994 hatte die Kabelwerk-AG verkündet: Wir sind europareif. Drei Jahre später schloss sie ihre Werkstore. Es stellte sich die Frage, was man denn mit dem ca. 60.000 Quadratmeter großen Areal anfangen sollte. Neue Wohnhausanlagen, neue Industrie-Niederlassungen oder vielleicht doch einmal etwas ganz Anderes?

Kunst vor Bau

Das Kabelwerk ist eines der wenigen Umnutzungsprojekte, bei denen die künstlerischen und kulturellen Belange im Vordergrund stehen. Die Eigentümer, ein Konsortium aus acht Wohnbau-Genossenschaften, haben sich dafür ausgesprochen, den Raum kulturell zu nutzen und erst später mit dem Wohnungsbau zu beginnen. Das Kabelwerk-Projekt wird von der Stadt Wien forciert; die Zeichen für eine Öffnung hin zu neuen, nicht-etablierten Programmen stehen günstig.


Die Halle als Requisite

Momentan ist der aus vier Hallen bestehende Komplex nicht mehr als eine verlassene Fabrik irgendwo am südwestlichen Rand von Wien. Innerhalb der Kulisse herrscht jedoch schon reges Treiben. Fabrikslärm ist zu hören, er stammt jedoch von einer Theatergruppe. Kabelrollen werden durch die Hallen geschleift, ihre ehemalige Funktion transformiert sich, sie werden zu Statisten und "Relikten".

Drei Jahre Übergangszeit

Nach Verhandlungen mit dem Bund und der Stadt Wien wurde der Verein IG-Kabelwerk gegründet, der sich um die künstlerische Leitung und Administration kümmert. Derzeit ist ein temporärer Übergang von drei Jahren verhandelt worden. Bis zu dieser Zeit sind die umliegenden Wohnbaukonzepte so weit fertig, dass man mit einer Integration der umliegenden Fläche beginnen kann. Vorstands-Mitglieder des Vereins sind Kurt Sedlak und Erich Sperger (Organisation, Finanzen), Daniel Aschwanden (Sparte Tanz, Performance) und Hubsi Kramar (Sparte Theater).

Austausch auf allen Ebenen

Kurt Sedlak, Schriftführer der IG-Kultur und langjähriger "Arena"-Mitbetreiber: "Das Ziel des Vereins ist es, in den nächsten drei Jahren dafür zu sorgen, dass der Raum mit künstlerischem Potential gefüllt wird. Wir können auf Zugänge aus Theater, Tanz, bildender Kunst und Soziokultur zurückgreifen. Das Kabelwerk soll als ein Ort des kulturellen und kommunikativen Austauschs genutzt werden."

Theatralische Grenzüberschreitung

Hubsi Kramar über Projekt-Anfragen: "Es besteht eine enorme Nachfrage nach derartigen Einrichtungen. Es überschneiden sich die Grenzen von der 'Freien Szene' zur Hochkultur. Uns geht es um das Überschreiten dieser Grenzen. Es besteht die Möglichkeit, Räume anzumieten. Trotz Unterstützung durch den Bund und der Teilfinanzierung durch die Stadt Wien ist die finanzielle Situation nicht ausreichend. Dafür sind auch die Beiträge nötig, der durch die Mietvergaben hereinkommen."

Medienschwerpunkt

Auch Daniel Aschwanden zeigt sich begeistert: "Österreich erkennt erst langsam die Chance, die sich durch das Kabelwerk bietet. An einem derart großformatigen Spielort kann es möglich sein, zeitgenössische Kunst und Kommunikation zu etablieren. Wir wollen das Kabelwerk zu einer Schnittstelle machen: nach außen durch einen eigenen Kabelwerk-Server, nach innen durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten an die unterschiedlichsten Projekte. Wir arbeiten an einer Verbindung von theatralen Elementen und Neuen Medien. Als Resultat soll eine Art 'Medienlabor' etabliert werden."

Hallennutzung

Vom baulichen Aspekt her ist die "Rekonstruktion der Infrastruktur" das vorrangige Ziel. Im Zuge der Adaptierung der Anlage wird in weiterer Folge die Besiedelung erfolgen. Erich Sperger erläutert das bauliche Konzept: "Die Planung geht von einer Kernzone aus, in der Proberäume für Tanz, Theater, Performance, auch für Musik, angesiedelt werden. Wir wollen ein eher junges Publikum auffordern, hier aktiv zu werden. Die Mietverträge werden allerdings nur bestimmte Zeit vergeben, so dass die Räume offen bleiben für andere Projekte. Eigeninitiative wird dabei groß geschrieben. Die größeren Hallen werden vorerst nur 'mobil' genutzt. Sie werden je nach Event entsprechend adaptiert werden. Bis in drei Jahren sind dann auch die architektonischen Projekte so weit, dass man von einer Integration von Kabelwerk und umliegenden Flächen sprechen kann."

Peter Stein im Kabelwerk

Das Interesse an einer derartigen Location ist groß; folgende Gruppen und Organisationen wurden bereits verpflichtet: Bilderwerfer, Lux Flux, Neue Volksbühne, NIT-Theater, Telborg Laibach, das NOR-Theater aus Norwegen, das Stadt-Film-Festival sowie das WEARD T.ATR.

Neben den jungen Aktiven wurde auch einigen arrivierten Theaterproduzenten der Spielraum "Kabelwerk" schmackhaft gemacht. So wird 2001 die Ur-Version des "Faust" in der Regie von Peter Stein dort über die Bühne gehen.

Infos und Tickets: 0676/510 36 53

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