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13.07.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ![]() |
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Tanz der Technik, Kult der Körper | ![]() |
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VON MICHAELA SCHLÖGL | ![]() |
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Ausstellung London. Das "Victoria & Albert Museum" zeigt Ursprung und Instrumentalisierung der Moderne. | ![]() |
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Wir haben kein Problem, im 21. Jahrhundert das Adjektiv "modern" zu vergeben. Wir bau en moderne Häuser, verwenden moderne Geräte, tragen moderne Frisuren - doch bei der Kunst, da sträubt sich das Wort und lässt sich durch "zeitgenössisch" vertreten. Als verselbstständigter Begriff, als "die Moderne", liegt die Epoche längst hinter uns. Umfasste allerdings weit mehr als Technik, Architektur, Kunstschaffen, wie das "Victoria & Albert Museum" in London beweist. Das beginnende 20. Jahrhundert strebte der Moderne auf allen Ebenen zu. "Modernism" beziffert hier die Jahre von 1914 bis 1939,
das Zeitalter, das vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ausbruch des
Zweiten reichte. Man könnte die Epoche auch als große Emanzipation
bezeichnen: Verstaubte Konventionen wurden abgelegt, Maschinen und Körper
kamen in Bewegung. Frauen schnitten ihr Haar zum "Bubikopf", entblößten
ihre Körper und wurden sportlich. Zu Hause bekamen sie praktische Küchen
eingebaut: Die Frankfurter Vorzeige-Küche Margarete Schütte-Lihotzkys ist
in London wieder aufgebaut. Und der Betrachter begreift: Die Größe dieser
Küche lag in ihren spartanischen Ausmaßen. Das neue Zeitalter wollte die Welt neu erfinden. Der
moderne Mensch sollte vor allem eines sein: frei. Nicht zuletzt im
Politischen. Nach Ende von Weltkrieg und russischer Revolution war Politik
oft gleichbedeutend mit Utopie, man träumte vom ewigen Frieden. Nach all
dem Leid glaubten viele an den neuen Menschen, der - in neuer "Gleichheit"
lebend - von allem mehr hatte: mehr Körpergefühl, mehr Empfinden für
Ästhetik, mehr Zeit für geistige Beschäftigung, mehr Rationalismus.
Linke Ideologien, befruchtet von der russischen
Revolution, breiteten sich über Europa aus. Russische Künstler wie
Alexander Rodtschenko beeinflussten auch die westliche Ästhetik. Gustav
Klucis entwarf mit dem Bleistift sportliche Menschen, die kühn aus
Postkarten sprangen und den Adressaten im Rest der Welt zeigten, was das
neue Russland anlässlich der Moskauer Spartakiade unter befreiten Menschen
verstand. Freikörperkultur und Bewegungskult führten zum
Massensport, der bald paramilitärische Züge annahm. Politische Bewegungen,
wie der Kommunismus in Russland, der aufkeimende Nationalsozialismus in
Deutschland und der Faschismus in Italien, instrumentalisierten dieses
neue Körperbewusstsein. Im Londoner Museumsshop ist übrigens Leni
Riefenstahls "Der Triumph des Willens" als DVD zu erwerben. Ein
Beweisstück, wie politische Agitation mittels ästhetizistischer
Überrumpelungseffekte betrieben wurde. Der Besucher der Ausstellung gewinnt überhaupt den
Eindruck, dass die Moderne vor allem eine neue Optik mit sich brachte.
Sessel sahen auf einmal "entschlackt" und einfach aus wie Marcel Breuers
Stahlrohr-Club-Chair (1925, Berlin). Bemerkenswert ist, dass die Moderne,
die als illusionistisches Experiment einiger Vordenker begann, ab 1925 -
sobald sich die Wirtschaft einigermaßen konsolidiert hatte - auch Produkte
für den Massenkonsum herstellte. Wobei sich die Designer gerne die Natur
oder ungeschönte Technikteile als Vorbild nahm. Gerade in Möbeldesign und
Architektur reichen die Nachwirkungen des Modernismus bis heute, Künstler
schöpfen aus diesem Ideenbrunnen ganz unverblümt. Als kleine, singuläre Sensation hingegen darf Oskar
Schlemmers Triadisches Ballett bezeichnet werden, das man im "V+A Museum"
als Videoanimation sieht. Aus maschinell-industrieller Fertigung stammende
Teile tanzen, bedeutende Komponisten der Zeit, etwa Paul Hindemith,
steuerten damals Musik zu diesem Projekt bei. Ohne die rasch fortschreitende Technik wäre die Moderne
undenkbar. Der Mensch, befreit von vielen zeitraubenden manuellen
Tätigkeiten, findet Zeit für Sport - meist organisiert in Sportvereinen,
die passive Sportbegeisterung wird durch Verbreitung der Massenmedien
gefördert. Und auch die Industrie leckte das Blut der Massenfertigung -
für das NS-Regime hießen die Reizworte Volksempfänger und Volkswagen.
Die Objekte in London stammen größtenteils aus Europa,
dem Kontinent, in dem die politischen Ideen der Moderne dramatische
Auswirkungen zeitigten. Einige Exponate sind amerikanischen Ursprungs. Die
Moderne ist eine Epoche der Großstadt, die Zentren befanden sich in
Moskau, Paris, Prag und New York. Dem "angewandten" Geist des "V+A Museums" entsprechend,
liegt der Schwerpunkt der Exponate auf Design und Architektur. Der
Besucher von "Modernism" bekommt durch den geschickten Aufbau der
Ausstellung jedoch so viele verschiedene Aspekte präsentiert, dass er beim
Verlassen spürt: Wir alle sind Kinder der Moderne. Und dass künstlerisch
wertvolles Design auch der Massenfertigung zugänglich sein kann,
fasziniert heute mehr denn je. |
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