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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
26. Juli 2005
22:32 MESZ
Foto: Winiarczyk
Wen hat der Mut verlassen? Entsorgte Installation von Pirmin Blum.

Wild-gefährliche Achterbahnfahrt
Ein Galerienrundgang zeigt Salzburg als einen Ort der Gegensätze: Schmuddelige Drogensäckchen und sauber entsorgte Kunst

Salzburg - Möglichkeiten zum Gesellschaftsdefilee bieten sich in Salzburg zur Festspielzeit viele. So auch in den zahlreichen Sommerausstellungen der Galerien: Kunst als dekorativer Hintergrund für Smalltalk zwischen Prosecco und Espresso. Als positiven Kontrast dazu gibt es aber einiges, das im Sinne schneller Bekömmlichkeit weniger gut verdaulich ist.

Standpunkte nennt die Galerie Heike Curtze ihren Programmquerschnitt (bis 31. 8.). Parfümgeschwängerte Luft rund um bunt Expressives von Christian Ludwig Attersee und Jürgen Messensee. Daneben große alte österreichische Herren wie Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Günter Brus. Von den jüngeren Positionen wusste der Amerikaners Tom Fruin auf den zweiten Blick zu irritieren. Mit Zickzackstich näht er fragile Flaggen aus schmuddeligen Drogensäckchen und aufgerissenen Kondomverpackungen. Rough Rider verrät die Aufschrift eines Fundstücks: die Welt der Sucht als wild-gefährliche Achterbahnfahrt.

Probleme, die sich in Salzburg so nicht zeigen. Da können eher kleinere Entscheidungen zum echten "Problem" werden. Will man zum Beispiel, nichts Böses ahnend, in der Getreidegasse einen Kugelschreiber kaufen: Exzessiv werden da von einer Schauspielerin die Vor- und Nachteile pinker Lackstifte für die Autogrammkarte erörtert.

Weniger rosarot das Frauenbild, das die Galerie 5020 entwirft. Kuratorin Hildegard Frauenender widerspricht mit Ongoing. Feminism & Activism der Historisierung von Feminismus (bis 6. 8.). Auch das ständige Inbezugsetzen von Künstlerinnen zu den Themen Körper und Identität ärgert. Die sowohl technoide als auch sinnliche Dimension der Frau zeigt daher Michaela Melian in Life as a Woman am Beispiel von Hollywoodstar Hedy Lamarr, die auch eine verschlüsselte Funkfernsteuerung zur Torpedolenkung erfand. Carola Dertnig erfindet in Equivok die Identität einer Wiener Aktionistin, die der Darstellung von Frauen als reine Models damaliger Performances widerspricht.

"Modell" und "Muse" haben Markus Lüpertz geküsst. Daraus wurde Mozart - eine Hommage, das diesjährige Projekt der Salzburg Foundation. Die überlebensgroße barock-proportionierte weibliche Skulptur mit stolz erhobenem und blond bezopftem Haupt des Komponisten steht am Ursulinenplatz, dem letzten Eck zwischen Salzach und Mönchsberg. Der Musenkuss, der zum wenig Aufsehen erregenden Zwitterwesen führte, brachte dem Malerfürsten 360.000 Euro ein - was er als "Hungerlohn" empfindet . . .

Am anderen Salzach-Ufer präsentiert die Galerie Ropac diesen Sommer (3. 8. bis 3. 9.), wie bereits vor zwei Jahren, Anselm Kiefer, der sich diesmal mit Werken des Lyrikers Paul Celan beschäftigt. Die düsteren Bilder abgemähter Äcker mit applizierten Ästen nehmen stimmungstechnisch den Herbst vorweg. Im Erdgeschoss Tom Sachs mit laubsägeartiger Neo-Pop-Art.

Glänzende Oberflächen dagegen, trotz Baustelle rund um die Max-Gandolph-Bibliothek, bei de sculptura von Galerist Nikolaus Ruzicska (bis 31. 8.): kupfer- und messingfarbene Kinderkrieger mit Helmen, die dem Götterboten Merkur gut zu Gesicht gestanden hätten von AES + F.

Auch die durch fünf Flatscreens marschierenden Peter-Kogler-Ameisen machen keinen Dreck. Staub aufgewirbelt hätte vielleicht die Arbeit von Pirmin Blum, den der Galerist ganz oben auf die Einladung druckte, aber nicht ausstellte. Warum? "Kein Kommentar."

Der enttäuschte Künstler, ein Kogler-Schüler, konnte seine Installation, deren Holzscheite in Helmut-Lang-Sackerln womöglich das Festspielpublikum empört hätten, gerade noch abfotografieren lassen. Kunst, sauber entsorgt. (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 7. 2005)


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