Frage: Peter Noever, im Museum für
Angewandte Kunst entwickelt sich zwar die Besucherstatistik in
erfreulicher Weise, die Finanzlage stellen Sie aber als sehr prekär dar.
Schon im vorigen Herbst gab es eine Ausstellung unter dem Titel "S.O.S. -
zur Rettung der MAK-Sammlung". Sie haben da unter anderem 50 Objekte
gezeigt, die Sie gern für die Sammlung ankaufen möchten, aber sich nicht
leisten können. Sie sprechen von "null Ankaufsbudget". Ist es wirklich so
arg?
Noever: Ja, das ist korrekt, und da sind wir in einer
Diskussion, in der sich auch dieses Land befindet. Ohne Kunst kann die
Gesellschaft nicht existieren, und ich glaube, dass alle gut beraten
wären, aus den Kunsthäusern nicht Eventschuppen zu machen, sondern sich
auf das Wesentliche zu besinnen. Dieser Kommerzialisierungsdruck, diese
Vermengung mit Dingen, die mit der Kunst im eigentlichen Sinn nichts mehr
zu tun haben, mit Vermietungen und dergleichen, was vehementest gefordert
und urgiert wird - wenn sich deswegen das Projekt der Kunst nicht mehr
wirklich erneuern kann, dann haben wir ein Problem!
Ich glaube, dass wir im MAK viele wichtige Innovationsprozesse in Gang
setzen. Da kämpfen wir aber um jeden Besucher, anders als bei Museen, die
durch ihre historischen Sammlungen automatisch viel Publikum anziehen.
Frage: Sie meinen wohl Museen wie das Kunsthistorische oder die
Österreichische Galerie, deren Sammlungen Publikumsmagneten sind. Meinen
Sie, dass der Staat dort ein bisschen weniger geben sollte und beim MAK
ein bisschen mehr?
Noever: Ich sage oft Sachen, die mich nicht sehr beliebt machen.
Das Problem ist nur die Verteilung. Man sollte da einmal einen Kassasturz
machen.
Frage: Könnte die Budgetknappheit auch daran liegen, dass es
einfach immer mehr Museen und Ausstellungshäuser gibt? Gerade in Wien wird
ja die Museumsszene nicht kleiner. Mit der Wiedereröffnung der Albertina
schaltet sich noch ein "Big Player" dazu. Wird es für das wachsende
Angebot noch genügend Interessenten geben?
![Peter Noever](00060390-Dateien/3-noever.jpeg) |
Peter
Noever |
Noever: Diese
Diskussion finde ich erbärmlich. Kein Mensch regt sich auf, wenn neue
Supermärkte und Shopping Malls eröffnet werden. Mehr Flächen für die
Kunst, das ist nichts Verwerfliches - je mehr Räume für die Kunst, desto
besser geht es einer Gesellschaft. Das Problem ist eher, dass gerade in
Wien zu viele Institutionen etwas Ähnliches machen - allerdings haben auch
die Künstler die Gattunsgrenzen gesprengt, und das ist ja auch die Aufgabe
einer Kunstinstitution, das zu reflektieren.
Frage: Gerade Ihnen wird immer wieder vorgeworfen, dass Sie sich
zu wenig auf den Kernbereich des Museums, die Angewandte Kunst im engeren
Sinn, konzentrieren. Man könnte natürlich fragen, was die Retrospektiven
der Maler Kurt Kocherscheidt und Otto Muehl, die Sie für heuer planen, mit
Angewandter Kunst zu tun haben.
Noever: Ich glaube, dass wir in vieler Hinsicht die treibende
Kraft für zeitgenössische Kunst in diesem Land sind. Ob das Graz 2003 mit
der Murinsel von Vito Acconci ist oder der heurige österreichische
Biennale-Künstler Bruno Gironcoli, das waren Positionen, die wir zu einem
sehr frühen Zeitraum "besetzt" haben, wissend, dass es sich dabei um
Positionen von Künstlern handelt, die man darstellen muss. Dabei
vernachlässigen wir überhaupt nicht unseren eigentlichen Auftrag.
Frage: Die Dauerpräsentation, die für jede Epoche der
Angewandten Kunst, für jeden Saal von einem zeitgenössischen
Künstler/einer Künstlerin gestaltet wurde, die ist mittlerweile schon über
zehn Jahre alt. Planen Sie da Änderungen?
Noever: Nein. In diesem Haus muss es auch Orte geben, die
beruhigen, wo man Dinge findet, die man kennt; es ist wichtig, gewisse
Faktoren der Stabilität, der Erinnerung zu haben - ein Museum ist ja ein
Ort der Erinnerung.
Frage: Wie sieht es mit dem Contemporary Art Tower, dem
Kunstzentrum des MAK im Flakturm Arenbergpark, aus? Wird die endgültige
Adaption, der Anbau des "Medien- und Versorgnungsturms" von Jenny Holzer,
finanzierbar sein?
Noever: Ich glaube, dass das Interesse der Republik daran nicht
besonders groß ist. Aber - und da will ich noch nicht zu viel sagen - wir
sind mit amerikanischen Sponsoren im Gespräch.
Frage: In der "S.O.S"-Ausstellung letzten Herbst haben Sie auch
ein Modell des Palais Stoclet in Brüssel gezeigt. Der Bau von Josef
Hoffmann mit dem berühmten Gustav-Klimt-Fries wird möglicherweise nach dem
Tod der Besitzerin von deren Töchtern verkauft. Haben Sie
Ankaufsgelüste?
Noever: Es ist sicher Sache einer solchen Institution wie des
MAK, sich um solche Objekte zu kümmern. Das heißt nicht, dass wir das
derzeit ankaufen wollen - aber man weiß nicht, was die neue Regierung
vorhat! Ich jedenfalls bin und bleibe optimistisch.
Frage: Gilt das auch für Ihren Verbleib im MAK? Ihr jetziger
Vertrag würde 2004 auslaufen...
Noever: Der Museumsvorstand hat einstimmig für meine
Verlängerung plädiert, derzeit stehe ich in Verhandlungen, eine
Entscheidung könnte noch im Februar fallen.