Quer durch Galerien 12.9.2003
Er geht ran wie eine Biene
Von Claudia Aigner
"Sah ein Knab ein Röslein stehn" - so fängt's immer an.
Johannes Kaufmann (bis 26. September im Artefakt, Strauchgasse 2) ist auch
so einer, der mit seinem tropfnassen Pinsel (ich mein' wirklich nur den
Pinsel, ganz unmetaphorisch - Ehrenwort!) sogleich schnell drauflos läuft,
es nah zu sehn, das Röslein, Röslein, Röslein rot (oder orange oder weiß),
und dann mit vielen Freuden hineinstiert. Wie ein genäschiges Bienchen.
Wenn einer zuerst Akte malt und dann plötzlich ein auffallendes
Interesse für Blütenkelche entwickelt, dann schaut man etwas gründlicher
hin. (Denn der wird ja nicht von den Fleischbeschauern zu den Vegetariern
konvertiert sein?) Und das aufmerksame Publikum erkennt mit einem Male,
frei nach Gertrude Stein: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist, bei
genauerer Betrachtung, eher eine . . . äh . . . halt was ganz was anderes.
Nicht zufällig besichtigt Kaufmann mit geradezu gynäkologischer Neugier
die Rosenblüten und geht sozusagen ran wie eine Biene, befindet sich
zumindest bereits im Landeanflug. Soll heißen: Er malt sie aus der
"Nasenlochperspektive", aus der man eine Blume also sieht, kurz bevor die
Nase mit der Blüte fusioniert. Und er geht mit akribischer Schaulust zu
Werke wie weiland Gustave Courbet, der den "Ursprung der Welt" erschaute:
einen Damenunterleib, der sich schamlos vor ihm exponierte, sodass Courbet
praktisch bis zur Wiege der Menschheit blicken konnte. Kaufmanns
Rosen, die der Maler höchst sinnlich und mit Freude an feinen Farbnuancen
verewigt hat, gibt es in unterschiedlichen Graden der Keuschheit: von
gschamig bis weniger schüchtern. Aber irgendwie sind sie alle in Erwartung
der Honigbiene oder eines Nachahmungstäters, der nach dem Muster jenes
wilden Knaben vorgeht, der beim Heidenröslein zudringlich geworden ist.
(Das Wort "Deflorieren" ist natürlich kein Terminus aus dem Gärtnermilieu
und bedeutet nicht "Blumen pflücken".) An einer Lilie traut man sich
in der Öffentlichkeit, besonders wenn Kinder dabei sind, ja spätestens
seit Georgia O'Keeffe nicht mehr ganz unbefangen zu riechen. Die Lilien
der Georgia O'Keeffe sind ja immerhin so "offenblütig", dass sie schon
pädagogischen Wert besitzen. Und man sagt ihnen nach, dass die
Biologielehrer mit ihnen die nächste Generation aufklären, nämlich
darüber, wie auch sie, die nächste Generation, ihren Beitrag zum
Generationenvertrag leisten kann, damit der Welt die Menschheit nicht so
bald ausgeht, und welche anatomische Grundausstattung vor allem die
östrogengetränkte Hälfte der Menschheit dafür nötig hat. An Rosen zu
schnuppern ist vorerst noch jugendfrei. Halbwegs. "Ich war das nicht.
Der Hund war's." - Das sagen sie alle. Aber dieses eine Mal ist es wahr.
Jedenfalls ist der vernaderte Vierbeiner mindestens der Komplize seines
Herrchens. Denn Manuel Vilhena (das Herrchen) baut Produkte des
natürlichen Verhaltens seines Hundes, um nicht zu sagen: Naturprodukte, in
seinen kapriziös bizarren Schmuck ein. Nicht die Ergebnisse des
unverbildeten hündischen Verdauungsstils, nein, nein: Splitter von
zerbissenen Knochen. Originell. Im September bei V & V (Bauernmarkt
19).
Erschienen am: 12.09.2003 |
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