Wir sind heute zur Eröffnung des neuen
Österreichischen Kulturforums zusammengekommen. Aber, so muss der erste
Einwand lauten: Kann uns überhaupt zum Feiern zumute sein? Als ich vor
wenigen Wochen anlässlich des Gedenkkonzertes der Wiener Philharmoniker
für die Opfer des 11. September in New York war, führte mich mein erster
Weg zum Ground Zero. Dort sah ich das, was mit Worten nur schwer zu
beschreiben ist. Man steht macht- und hilflos vor einem riesigen Krater
des Todes und muss das sehen, wozu Menschen fähig sind.
Mit derselben Betroffenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren,
hören wir fast täglich die Nachrichten aus dem Mittleren Osten.
Nachrichten, die uns von Opfern, insbesondere auf Seiten der
Zivilbevölkerung berichten. Es sind Opfer sinnloser Gewalt und sinnlosen
Terrors.
Wir empfinden Solidarität. Solidarität nicht nur mit den Opfern des
Angriffs vom 11. September, sondern auch Solidarität mit jenen Werten der
freien Welt, für die die amerikanische Gesellschaft steht.
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Tourismusstaatssekretärin Mares Rossmann,
Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und Kulturstaatssekretär
Franz Morak. / ©Bild: APA |
Vielleicht kann das heute zu eröffnende Kulturforum eine Antwort der
positiven Kräfte sein. Eine Bejahung jener Werte, für die unsere beiden
Länder stehen. Der Bau des Hauses blickt auf eine längere Vorgeschichte
zurück. Und doch gewinnt die Tatsache der heutigen Eröffnung eine tiefere
Bedeutung, wird sie doch zu einem Teil dessen, was man symbolhaft den
"Wiederaufbau New Yorks" nach dem 11. September bezeichnet. Ich möchte
daher diese Eröffnung in einer Reihe mit dem Gedenkkonzert der Wiener
Philharmoniker als symbolische Geste der österreichischen Solidarität
verstanden wissen. Das neue Kulturforum möge ein Beitrag zur
unbezwingbaren und ungebrochenen Dynamik dieser "Welthauptstadt" sein, in
der die Menschen mit Leidenschaft an die gestalterische und
unüberwindliche Kraft der Kultur glauben. An dieser Haltung wird, wie es
der österreichische Schriftsteller Michael Scharang unmittelbar nach dem
11. September schrieb, "das Fundament des fundamentalsten Terrors
zerbrechen"!
Das Gebäude des Österreichischen Kulturforums wurde von Kunstkritikern
schon lange vor seiner Fertigstellung als einer der bemerkenswertesten
Neubauten Manhattans gelobt. Die Verwirklichung dieses ambitionierten
Projektes wäre von Anfang an undenkbar gewesen ohne den festen Willen und
die Beharrungskraft des damaligen Außenministers Alois Mock (über dessen
Anwesenheit ich mich in einer besonderen Weise freue) und seines
Nachfolgers Wolfgang Schüssel. Sie sind die Väter dieses Hauses! Die
früheren Direktoren Peter Marboe und Wolfgang Waldner fungierten dabei als
wesentliche Sachwalter dieser Idee.
Ich gratuliere dem Architekten Raimund Abraham zu seiner herausragenden
Leistung. Sein Entwurf entspricht dem Ziel des Österreichischen
Kulturforums, ein Ort der Zusammenarbeit, neuer Ideen und neuer Formen zu
sein. Ich danke auch den anwesenden Architekturexperten dafür, dass sie
dieses Projekt von seiner Frühphase an unterstützt haben.
Dieser Bau ist ein programmatisches Statement an jenem Ort, den wir als
"center of the world" bezeichnen. Mit dem neuen Haus öffnen wir auch ein
neues Kapitel in den kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und den
Vereinigten Staaten. Gleichzeitig tragen wir eine Dankesschuld ab.
Für viele Österreicher war New York der sichere Hafen für eine neue
Existenz, für das Überleben und der Ausgangspunkt für individuelle
Erfolgsgeschichten. Unendlich viel mehr Menschen zwang die Not und die
Hoffnung auf Besseres in dieses Land. Zwischen 1900 und 1914 verließen
über eine Million Menschen die Donaumonarchie in Richtung USA. Oftmals
sollten sich ihre Sehnsüchte nicht in einer Generation erfüllen. Im
historischen Kontext jedoch ist die Geschichte Amerikas für seine
mitteleuropäischen Einwanderer eine, die sie mit Dankbarkeit zurückblicken
läßt.
Politische Verfolgung durch mörderischen Rassenwahn des
Nationalsozialismus löste die zweite große Einwanderungswelle aus: Vor dem
Holocaust flüchteten alleine in den Jahren 1938 bis 1941 mehr als 30.000
österreichische Juden in die Vereinigten Staaten. Das war ein gravierender
"Brain Drain", - ein ungeheurer Verlust für die kreative Intelligenz
meiner Heimat.
Der enorme Modernisierungsschub, der in den Vereinigten Staaten ein
frühes Zentrum gefunden hatte, zog aber schon viel früher zahlreiche
Kreative und österreichische Intellektuelle an. Die Liste an
Österreichern, die hier bereichernde Amerikaaufenthalte absolvierten,
reicht von dem legendären Eisenbahnbauer Carl Ghega bis zum Architekten
Adolf Loos, der als junger Architekturkritiker von New York und Chicago
geprägt wurde. Loos ist fast zu einem Prototyp für die zahlreichen
Spitzenleistungen der österreichischen Kultur, die in den USA ihre
inspirierende Quelle fanden, geworden. Das reicht bis in die Gegenwart.
Die Kärntner Künstlerin Kiki Kogelnik ist eine von vielen. Im kreativen
Klima New Yorks, in der Factory des Andy Warhol fand sie ihren eigenen
Stil und erreichte von dort aus internationale Anerkennung.
Helmut Lang wiederum ist das Beispiel eines Österreichers, der hier in
New York reüssierte. In der Populärkultur sind es Namen wie der jüngst
verstorbene Billy Wilder, wie Fred Zinnemann, Otto Preminger und Fred
Astaire, die mithalfen, den amerikanischen Film zu dem zu machen, was er
heute ist. Nicht zuletzt soll hier auch der langjährige Herausgeber des
"Time Magazine", Botschafter Henry Grunwald erwähnt werden. Er ist heute
unter uns und ich werde heute Nachmittag noch die Ehre haben, seine
Verdienste für Österreich in einer eigenen Feier zu würdigen.
An dieser Stelle soll aber noch etwas Anderes vermerkt werden.
Österreich hat den USA 1945 und danach viel zu verdanken. Damit meine ich
neben dem Marshallplan vor allem die offene amerikanische Kulturpolitik
der USA in Österreich, etwa in Form der Amerikahäuser und
Fulbright-Stipendien, welche Österreichs demokratische Festigung und
kulturelle Demokratisierung beschleunigen halfen. In den Amerika-Häusern
konnte man Werke von Hemingway, Faulkner und Eugene O'Neill kostenlos
entlehnen. Man konnte dort Musik hören, mit Gleichgesinnten plaudern und
sich Platten von Benny Goodman, Charlie Parker und Charles Mingus
ausborgen, welche es in den einschlägigen Geschäften allenfalls auf
Bestellung gab.
Dieses Konzept der Amerikahäuser war ein Erfolg der 2. Hälfte des 20.
Jahrhunderts. Die österreichische Auslandskulturpolitik des 21.
Jahrhunderts wandelt nun dieses erfolgreiche Konzept zeitgemäß ab:
An diesem zentralen Punkt unserer Welt erkennt das österreichische
Kulturforum in New York seine wesentliche Aufgabe der Vermittlung von
Kunst und Kultur jenseits aller Österreich-Klischees. Es wird all jene
Facetten zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffens umfassen, die dieser
Stadt angemessen sind. Erfolg und auch ein wenig Glück wünsche ich diesem
österreichischen Kulturleuchtturm in Manhattan von ganzem Herzen.
In diesem Sinne erkläre ich das Österreichische Kulturforum in New York
für eröffnet!