Salzburger Nachrichten am 02. April 2003 - Bereich: kultur
Woher die Kunst kommt

Der Maler Arnulf Rainer organisierte in Salzburg eine Ausstellung mit Werken von 24 "Nicht Künstlern". Der Übergang zur "anderen Kunst" ist fließend.

WERNER THUSWALDNER

Arnulf Rainer ist als ein Künstler bekannt, der Grenzbereiche des Bewusstseins aufsucht und sich dafür interessiert, von wo die Impulse für den künstlerischen Akt ausgehen. Dieses Interesse schließt Rainers Sammeln von "art brut" seit 40 Jahren ein, also von Kunstwerken, die von geistigpsychisch und körperlich Behinderten stammen.

Rainer hat mit dem Neurologen Leo Navratil zusammen gearbeitet, der die weltberühmte Künstlergruppe von Gugging gegründet und der vielfach über den Themenkomplex "Kunst und Schizophrenie" publiziert hat. Die künstlerisch Tätigen sind sowohl Menschen, die von Geburt her behindert sind, als auch Betroffene, die erst im Lauf ihres Lebens eine schwere Einschränkung erfahren haben. Rainer kümmert sich um solche Begabungen in Österreich.

In Salzburg ging er gemeinsam mit der Galerie im Traklhaus und mit der Sozialabteilung des Landes vor. Verschiedene Institutionen, feste und ambulante, die sich mit Behinderten beschäftigen und die kunsttherapeutisch tätig sind, wurden angesprochen, und es kam ein Konvolut von hunderten Arbeiten zusammen. Rainer ist sicher, dass viele, darunter Einzelgänger, noch nicht entdeckt wurden.

Die große Verantwortung der Therapeuten

Für die Auswahl galten bestimmte Kriterien. So etwa wollte man sich bewusst von professioneller Kunst abgrenzen. Die Ausstellung hat den Titel "Nicht Künstler", womit aber keine Wertung gemeint ist. Es ging darum, Künstler zu berücksichtigen, die eigene Wege gehen und eigene Bildvorstellungen verwirklichen, sagte Rainer am Dienstag bei einer Presseführung. Werke, in denen sich ein zu starker Einfluss eines Therapeuten zeige, seien nicht in die Auswahl aufgenommen worden. Für die Behinderten sei die Kunst ein Mittel, um den Kontakt mit der Wirklichkeit aufrechtzuerhalten. Die Therapeuten hätten große Verantwortung, denn die Anregungen zur künstlerischen Betätigung müssten behutsam gegeben werden. So etwa sei es sinnlos, sie große Formate bewältigen zu lassen, weil das nicht ihrem Zugriff entspreche.

Die Grenzen zur professionellen Kunst sind, wie die Ausstellung zeigt, fließend. Rainer wies auf ein bestimmtes Oeuvre hin: Dahinter vermutete er eine professionelle Künstlerin. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Frau, die im Staatsdienst tätig war und die später ein Schmuckgeschäft führte.

Zu sehen sind figurale, "naive" und freie Gestaltungen ebenso wie obsessiv dekorativdynamische. Auch einige plastische Arbeiten (Stein, Draht) sind ausgestellt. Alle Werke sind verkäuflich. Eine Benefizausstellung ist dies aber ausdrücklich nicht. Einen hochwertigen Katalog gibt es auch. Alle Kreativen - bis auf einen, der verweigerte und sich auch nicht fotografieren ließ - äußern sich darin zu ihrem Lebenslauf.

Eine ähnliche Ausstellung hatte Arnulf Rainer bereits im Linzer Kunstverein initiiert. Nach Salzburg will er sich nach der Reihe in den anderen Bundesländern umtun.

Bis 10. Mai