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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
11. Dezember 2008
20:27 MEZ


Bis 1. 3.

foundation.generali.at

 

Ree Morton in der Generali Foundation: "Souvenir Piece", Installation mit elf Souvenirs, Steinen auf einfachen Stelen.


Mentale Landkarten
Die Generali Foundation zeigt in einer Retrospektive das in Europa weitgehend unbekannte Werk der Amerikanerin Ree Morton

Mortons Zeichnungen, Bilder und Installationen sind immer auch Handlungsanweisungen.


Wien - "Meine Laufbahn begann wohl, als ich drei Jahre alt war und anfing, Ameisenhaufen zu beobachten und Marienkäfer zu retten. Die Folge war eine lange Pause in meiner künstlerischen Entwicklung, denn meine Familie interpretierte das als wissenschaftliches Interesse und ermunterte mich zu einer Ausbildung als Krankenschwester."

Mit dem Kunststudium begann Ree Morton (geboren 1936 in Ossining, NY) erst Ende der 1960er-Jahre, nach der Heirat mit einem Marineoffizier und der Geburt von drei Kindern. Ein Autounfall beendete 1977 ihr Leben. Die Generali Foundation richtet der in Europa weitgehend unbekannten Künstlerin nun die erste Retrospektive seit einer Gedenkschau 1980 im New Yorker New Museum aus.

Ein umfassender kommentierter Katalog - Ree Morton. The Deities Must be Made to Laugh. Werke 1971-1977 - ist in Vorbereitung und soll im kommenden Jänner erscheinen. Besonderes Augenmerk wird in der Publikation auf Mortons Notiz- und Skizzenbücher gelegt, die auf viele verlorene oder zerstörte Arbeiten verweisen und als Quelle zur Rekonstruktion der OEuvre-Geschichte dienen.

Ree Morton begann, ähnlich wie Eva Hesse, das streng dogmatische Regelwerk des Minimalismus der 70er-Jahre zu hinterfragen und brachte - beeinflusst von Claude Lévi-Strauss, Raymond Roussel oder vom Architekten Louis Sullivan - an indigene Kulturen erinnernde Objekte und Ritualvorschläge in ihr Werk ein.

Visualisierende Gedanken

In der Generali Foundation zeigt sich eine sehr freie, bisweilen auch fröhlich humorvolle Kombination von Übernahmen aus dem Alltag, Zitaten "primitiver" Bauweisen (Urhütten), heraldischen Symbole und Fundstücken wie Steinen, Ästen oder Samen. Bisweilen persifliert sie die Logos der Pop-Artisten, dann wieder geben ihre Arbeiten durchaus konkrete Handlungsanweisungen zur - gemeinsam mit dem Philosophen Miguel de Unamuno erdachten - "Methode des visualisierenden Gedankens".

In frühen Arbeiten versucht Ree Morton literarische Texte kartografisch zu übertragen bzw. mentale Landkarten zu entwickeln. Immer wieder wird das Verhältnis zwischen Natur und Kultur thematisiert, wird das Ursprüngliche diversen Philosophien, Denkschulen und Methoden - etwa der Land-Art-Künstler - gegenübergestellt.

Gordon Matta-Clarks so brachiale wie poetische Eingriffe in den urbanen Raum spielen dabei ebenso eine Rolle wie Arbeiten Robert Smithsons oder des Architekten Louis Sullivan. Manipulations of the Organic, Ree Mortons letztes Werk, ist als Hommage an Sullivan zu lesen und deutete nach stark expressiven und kräftig bunten Arbeiten in Richtung einer strengeren, auf Ordnung bedachten Vorgangsweise. "It seems to me that things have to be more serious", notierte Morton kurz vor ihrem Tod 1977 in ein letztes Notizbuch.

Eine weitere entscheidende Figur in der Entwicklung dieses eigenständigen, wenn auch durchaus zeittypischen OEuvres war der Regisseur und Theatertheoretiker Jerzy Grotowski. Vor allem Grotowskis Plädoyer für ein "armes Theater", für eine Spielpraxis jenseits der üblichen Effekte und Überrumpelungsstrategien, hat ihre Installationen geprägt.

In ihrem Souvenir Piece, der formal klarsten Installation der Retrospektive, arrangiert Morton auf einer Tafel elf Souvenirs, Kieselsteine auf einfachen Stelen, lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf die Schönheit der Natur und schlägt darüber hinaus einen nicht näher definierten Gebrauch des Materials als Totem, Fetisch, Spielfigur oder Dekoration vor. Und lädt ein, die Steine immer wieder neu zu arrangieren. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.12.2008)

 

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