Die Ausstellung "Dinge, die wir nicht
vestehen" - eine Ausstellung, die Sie gemeinsam mit Robert Bürgel
gestaltet haben - beschäftigt sich in überraschender Weise mit
gesellschaftskritischen Positionen in der Kunst. Ihnen geht es auch um
ästhetische Qualtitäten. Damit unterscheidet sich die Ausstellung von
Positionen, wie sie in den 90ern üblich waren, als eine Repolitisierung
der Kunst im Vordergund stand. Wie definieren Sie die Position der
Gesellschaftskritik im Rahmen dieser Ausstellung?
Diese Repolitisierung der Kunst ist ja einher gegangen mt dem Abbau
staatlicher Leistungen einerseits und dem von außen an die Kunst
herangetragenen Anspruch bestimmte Probleme zu lösen, für die der Staat
zuständig wäre. Aber das kann die Kunst gar nicht.
Bestimmte Strategien z.B. der Sozialarbeit haben immer ausgleichend
gewirkt. Das hat dazu geführt, dass die Kunst immer weniger fähig war,
ihre Differenz zum Staat und zur hegemonialen Kultur zu artikulieren. Der
utopisch-politische Gehalt der Kunst ist dabei vernachlässigt worden oder
war nicht mehr wahrnehmbar.
Unsere These ist, dass diese Kritik sich nicht nur auf eine sprachliche
Ebene beschränken kann, sondern dass die Kunst Dinge auch anders als
sprachlich zum Ausdruck bringen muss. Und das schließt die Ästhetik mit
ein.
Das heißt es geht darum, dass die Position des Künstlers wieder als
autonom definiert wird und der Kunstraum wieder als Ort der
Auseinandersetzung - und zwar nicht nur mit politischen, sondern auch mit
ästhetischen Positionen - begriffen wird?!
Uns geht es um ästhetische Autonomie. Die liegt nicht im Kunstwerk oder
in der Künstlerposition, sondern im Prozess der Betrachtung. Dazu gehört
auch das Publikum. Nur wenn alle Seiten mit einander in Beziehung treten
wollen - also KünstlerInnen und Publikum, vermittelt über die Objekte und
den institutionellen Rahmen - kann so etwas wie Veränderung überhaupt
stattfinden.
Unsere Ausstellung agiert zwar mit Einzelobjekten und einzelnen
Künstlernamen, aber als einzelner Künstler kann man ja gar nichts
verändern. Die Figur des Einzelkünstlers ist in so starre Traditionen der
Individualisierung eingespannt, dass man da kaum rauskommt.
Es gibt in der Ausstellung einen Archivkasten mit Fotos...?
Ja, Ines Doujak, die diesen Karteikasten gemacht hat, der Fotos aus
unterschiedlichsten Kontexten enthält, arbeitet vor allem im Kollektiv und
leider verschwindet der Karteikasten jetzt ein wenig in der Ausstellung
und das ist eben ganz typisch für die Verhältnisse, wie ich sie gerade
beschrieben habe, aber man kann ja trotzdem noch einmal darauf
hinweisen.
![Ines Doujak: Achtung Wildpferde, 1996 / ©Bild: Generali Foundation](00051428-Dateien/3-doujake.gif) |
Ines Doujak: Achtung Wildpferde, 1996 / ©Bild:
Generali Foundation |
Was befindet sich zum Beispiel in diesen Laden?
Das sind sechs Schubladen, die jeweils ein anderes Thema haben. Eine
zum Beispiel trägt den Titel "Mädchen und Pferde". Darin geht es um die
Frage, inwieweit Mädchen überhaupt in der Lage sind, Bilder von Freiheit
für sich selbst zu finden. Dieses Klischee reitender Mädchen ist ja sehr
zwiespältig. Denn einerseits hat das viel mit Körperlichkeit und
Sexualität zu tun, was Mädchen sonst eher abgesprochen wird, andererseits
ist das natürlich ein sehr normiertes Bild.
Ines Doujak bricht das auf, indem sie auch Lesben auf Motorrädern
zeigt, oder Texte, die von Frauenliebe handeln, in die Schublade legt,
oder Bilder aus diesen Pferdemagazinen für Mädchen mit anderen Texten
unterlegt.
Die vermutlich irritierendste und erschreckendste Arbeit, die von
Haroun Farocki, beschäftigt sich mit der Situation in einem amerikanischen
Gefängnis und thematisiert die Situation von Gefängnissen in den USA, die
ja zum Teil privatwirtschaftlich geführt werden. Die Arbeit heißt "Ich
glaubte Gefangene zu sehen". Das sieht doch wie eine rein politische
Dokumentation aus. Was macht diese Arbeit zum Kunstprojekt?
Farocki
bezeichnet sich selbst ja als Essay-Filmer, das heißt, er hat sich immer
an der Grenze zwischen Ästhetik und Dokumentation bewegt. Hier zum
Beispiel geht es um die Frage, wie man eine Situation, in der Gefangene
von den Wärtern auf einander gehetzt wurden und letztlich sogar umgebracht
wurden, wie man das ins Bild bringen kann, ohne das Geschehene zu
verdoppeln. Es geht also um die Frage: Sind Bilder Waffen, ist die Kamera
eine Waffe? Er versucht das durch Schnitte und Doppelprojektionen zu
lösen. Dadurch versucht er deutlich zu machen, dass Bilder keine Fenster
zur Wirklichkeit sind, sondern dass Bilder gemacht werden.
Link: Dinge, die wir nicht
verstehen