1977 in Berlin geboren, lebt Lucie Stahl seit längerem in Wien, wo sie auch einen Ausstellungsraum, das "Pro Choice", betreibt.
Wien - Unsere zerbröselte Welt, ein Konglomerat aus Wichtig- und Nichtigkeiten, kommt auf Lucie Stahls Scanner zum Liegen. Es sind Stillleben aus dem Alltag der Künstlerin: Seifenschaum, farbige Flüssigkeiten und Gewürzpulver, Scheren, Krawatten oder Getränkedosen treffen auf der Glasplatte des Geräts mit Ausschnitten aus Magazinen und Textnotizen zusammen. Zum Schluss übergießt sie die gescannten und vergrößerten Arrangements mit Kunstharz. Der flüchtige Moment, wo all diese Elemente kollidieren, wird also konserviert, wirkt hinter der blasigen, aber transparenten Oberfläche der Realität entrückt; mit den ausgefransten Kanten gleichzeitig auch wie unmittelbar aus der Wirklichkeit herausgerissen.
Das Unmittelbare dieser Technik schätzt Stahl ebenso wie das Unprätentiöse daran; die Ergebnisse vergleicht sie mit einem Fotogramm. Das Essenzielle ihrer Kompositionen sind die Texte, Zitate eines Stand-up-Comedian oder eigene Gedankensplitter zu Geschlechtsidentität und Kunstproduktion. Fragmente, die anregen und die Interpretation lenken.
Eine ungewöhnliche Technik und eine eigenständige, fantasie- und humorvolle Bildsprache, die die Jury des BC21 Art Award überzeugte. Stahl (geboren 1977) erhält den mit 20.000 Euro höchstdotierten privaten Kunstpreis Österreichs, der von der Boston Consulting Group und dem Belvedere initiiert und heuer zum dritten Mal vergeben wurde.
Arbeiten der in Wien lebenden Preisträgerin und der anderen beiden nominierten Künstler, Anna Artaker (geb. 1976) und Florian Pumhösl (geb. 1971), sind aktuell in der Belvedere-Dependance für aktuelle Kunst, dem Augarten Contemporary, zu sehen. Mit dem Aufsperren des 21er-Hauses im November und noch zu füllenden budgetären Löchern ist deren Zukunft allerdings ungewiss.
Pumhösl, der sich immer wieder mit Formvokabular und Fragen der Moderne beschäftigt, zeigt im Augarten eine Auseinandersetzung mit dem japanischen Buchgestalter Onchi Koshiro und dessen abstrakt-formaler Typografie. Anna Artaker beschäftigt sich hingegen mit der Konstruktion von Geschichtsbildern und bietet Neulektüren an - etwa, wenn sie verklärt-kitschigen Bildern, die einer der Sissi-Filme von Ungarn zeichnet, zeithistorische Fotos aus dem Produktionsjahr des Films gegenüberstellt. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2011)
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