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Kunstberichte
Hermann Nitsch im MZM Mistelbach und sein Pfingstfest im Schloss Prinzendorf

Mysterien aus Blut und Wein

Sehr frühes Wachsbild von Hermann Nitsch. Foto: Manfred Thumberger

Sehr frühes Wachsbild von Hermann Nitsch. Foto: Manfred Thumberger

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Wieder einmal ruft der zuweilen fälschlich als skandalöser "Blaubart" oder Tierquäler beschimpfte Hermann Nitsch, bekanntester Vertreter des Wiener Aktionismus, in sein Museum nach Mistelbach und sein Schloss im nahen Prinzendorf zum Pfingstfest. Mit einem Vortrag, einer Filmvorführung und der Präsentation seines Frühwerks als Essenz der privaten Duerckheim Collection aus London will er seinem Publikum die Theorien seiner Synästhesie von bildender Kunst, Theater und Musik näherbringen.

Schloss Prinzendorf ist dabei für das ab 1957 konzipierte Orgien-Mysterien-Theater die Gralsburg, das nahe Museum der Kunsttempel – leider ausschließlich nur für seine Werke, was die wirkliche Analyse erschwert, aber der Künstler weigert sich beharrlich, seine Aktionistenkollegen und andere Zeitgenossen in sein Gesamtkunstwerk einzugemeinden, was dem MZM den noch fehlenden Besucherstrom kostet.

Skandale bleiben aus

Dabei finden sich in seinen Partituren breite Ansätze vom archaisch-griechischen Mysterienkult, der christlichen Messe, über das Unbewusste eines Sigmund Freud und Carl Gustav Jung bis zu Literaturen Stefan Georges, Hugo von Hoffmansthals und der Musik von Richard Wagner oder Alexander Nikolajewitsch Skrjabin. Sein titanisches Künstlerbild erlaubt keinen weiteren neben dem eigenen Genius. Eine eingeschworene Gemeinde, ja "Jüngerschaft", kann er allerdings zum Pfingstfest immer begrüßen, wenn auch die früher obligaten Skandale längst ausbleiben. So spielt das Nitsch Quartett eine Neukomposition, das Streichquartett Nummer vier, als Auftakt, der Meister spricht danach zu seinem Projekt und am Nachmittag folgt der Film "Requiem – the songs of life" von Daniel Feyerl, sowie die übliche Begehung als gemeinsame Prozession in Weingärten mit abschließendem Heurigen in der Kellergasse des Orts.

Im Mistelbacher Museum wurden im Vorjahr die Meisterwerke der Duerckheim Collection präsentiert, nun gruppiert Kurator Wolfgang Denk um dessen Grafikzyklus zum "Letzten Abendmahl" mittig eine große Buntstiftzeichnung von 1987, "Ödipus-Christus" oder "Heldenzeichnung", die geheimnisvoll als "bisher verschollen" angepriesen wird. Weiters gruppieren sich um diesen "Meridian" Werkzyklen "Die sieben Fußfälle" mit violett getönter Farbe auf Kulthemden in Kombination mit Schüttbildfriesen. Dazu kommen Nitschs frühe Wachsbilder und die ab den 60er Jahren skandalumwitterten Reliktmontagen und auch Damenbindenbilder, die den allgemeinen Ekel beflügelten und damit die Kritik entflammten. Der Skandal ist wie schon ehedem beim sinnlichen Makart integriertes Konzept, was oft von beiden Seiten übersehen wird. Die Befürworter, die sich seltsamerweise heute immer noch als progressiv fühlen, stehen ebenso fundamentalen Gegnern gegenüber, die wirklich kritische Betrachtung des Werks in seiner aktuellen Zeitrelevanz bleibt immer noch auf der Strecke.

Wie im Eingottglauben

Nach seiner 131. Lehraktion 2011 in New York, einer langjährigen Professur an der Städelschule in Frankfurt, Beiträgen zu documentas und Biennalen, der Überreichung des Staatspreises und Bühnenaktionen in Burgtheater sowie Oper und nicht zuletzt biografischen Museumswidmungen in Neapel und Mistelbach hat Nitsch etwas Mühe, seine Überzeugung von Kunst als Religion in die aktuelle Kunst zu integrieren und spannungsreich einem breitem Publikum zu vermitteln. Die neuen performativen Tendenzen und Richtungen zwischen Theater, Tanz und Malerei wären jedoch in Konfrontation zu seinem Werk eine Belebung für das MZM. Das Problem liegt nicht in den Inhalten des Orgien-Mysterien-Theaters, sondern im veralteten Künstlerbild, das nur einen ästhetischen Vollstrecker zulässt wie im Eingottglauben. Das Dionysische im Denken seines Vorbilds Friedrich Nietzsche war toleranter angelegt.

Aufzählung Ausstellung

HermannNitsch.Das Frühe Werk

Die Essenz der Duerckheim

Collection

Wolfgang Denk (Kurator)

MZM Mistelbach

bis 15. April 2012

 

Printausgabe vom Samstag, 11. Juni 2011
Update: Samstag, 11. Juni 2011 00:12:00

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