Evakuierung von 950.000 Werken in Gang – Reportage von Österreichs größter Kunstbaustelle
Albertina: Schaden ist größer
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Grüne Plastikplane, von Parkbänken beschwert, schützt das Dach des Depots. Foto: apa
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Von Christoph Rella und Christian Mayr
![Aufzählung Aufzählung](00085731-Dateien/wzfeld.gif)
Hunderte Hüllen um Kunstwerke wurden durchnässt.
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Baumängel schuld am Wasser in erst vier Jahre altem Depot?
Wien.
"Zugang strengstens verboten", steht auf einer großen Infotafel. Ein
Grund mehr für ein deutsches Ehepaar, die große Kunstbaustelle auf der
Terrasse der Albertina genauer in Augenschein zu nehmen. Grüne
Plastikplanen liegen dort – lediglich durch Holzstücke und
zweckentfremdeten Parkbänke beschwert – auf dem Boden ausgebreitet.
"Wir haben von dem Wassereinbruch gehört", sagt der Mann kurz und
richtet prompt seine Digitalkamera auf jene Arbeiter, die unweit der
Absperrung fieberhaft nach der Ursache des plötzlichen Wassereintritts
in das eigentlich sichere Depot suchen.
Donnerstag Früh begann in der Albertina die tags zuvor angekündigte
Räumung des Tiefenspeichers mit insgesamt 950.000 Kunstwerken, die in
einem ausgeklügelten Hochregallager übereinander gestapelt sind. Dabei
stellte sich heraus, dass weit mehr Bilder vom Wasser betroffen sind
als ursprünglich angenommen. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder
räumte ein, dass "Hunderte Schutzverpackungen teilweise bzw. zur Gänze
durchnässt waren". Zugleich sprach er von einem dramatischen Vorfall,
der "Systemprobleme" im Museum offenbart hätte. Tatsächlich dürfte es
dem rasch reagierenden automatischen Feuchtigkeits-Meldesystem zu
verdanken sein, dass bis dato kein einziges Kunstwerk wirklich
beschädigt wurde – es hätte etwa auch Dürers Hasen treffen können, der
sich irgendwo in dem Depot befand, mittlerweile aber in Sicherheit ist.
Dass die Kunstwerke unterirdisch von Dutzenden Händen in
nicht-öffentliche Ausstellungsräume der Albertina gebracht werden, um
dort vorerst zwischengelagert zu werden, davon bekommen Kunstliebhaber
wie Touristen nichts mit. Zudem hat die Sonne längst die Regenpfützen
am Depot-dach aufgetrocknet.
"Das ist beängstigend"
Sorgen um die wertvolle Sammlung macht sich dennoch breit, etwa bei
Alexander, der im nahen Museumscafé auf eine Freundin wartet. "Das ist
schon beängstigend, dass so etwas passieren kann", sagt er, dreht sich
um und wirft einen Blick auf das Absperrband. Man hätte schon dafür
sorgen müssen, dass das Dach des Depots wasserdicht ist, so der
26-Jährige Kunstfreund, der oft hierher kommt. "Ich dachte eigentlich,
dass die wissen, was da unten drin ist."
"Die" – damit sind offenbar die ausführenden Baufirmen gemeint, die
das Depot erst im Juni 2005, also vor genau vier Jahren übergeben
haben. Stellt sich natürlich die Frage, ob nicht Baumängel schuld an
dem plötzlichen Wassereintritt sind. Für den Verwalter der Albertina,
die Burghauptmannschaft, ist es aber noch zu früh für Schuldzuweisungen
und Haftungsfragen. "Solange ich die Ursache nicht kenne, wird es dazu
keine Aussage geben", erklärt Burghauptmann Wolfgang Beer im Gespräch
mit der "Wiener Zeitung". Möglich seien eine Überbeanspruchung der
Decke ebenso wie Verarbeitungsmängel oder Planungsfehler. Doch selbst,
wenn eine eindeutige Ursache eruiert werde, ist der Burghauptmann
skeptisch: "Ich nehme an, es wird keine eindeutige Verschuldensfrage
geben. Und nur mehr in einem kleinen Bereich gibt es noch eine
Gewährleistung." Außerdem müsse man bei unterirdischen Bauten, selbst
wenn es nicht so starke Regenfälle wie zuletzt gebe, mit derartigen
Problemen rechnen. Nachsatz: "Allerdings ist mir so etwas beim Depot
des Naturhistorischen Museums in 20 Jahren bisher nicht passiert", so
Beer.
Gebaut wurde der Tiefenspeicher von einem Konsortium, dem unter
anderem Porr und Alpine Mayreder angehörten, für das Innere zeichnete
die oberösterreichische Firma "TGW" verantwortlich. Von dort hieß es,
dass der Schaden eindeutig mit dem Gebäudeäußeren zu tun hätte.
Dem Ansehen des Museums selbst dürfte das Ganze nicht schaden, die
Ausstellung ist gut besucht. "Was ich weiß, wurde ja nichts
beschädigt", sagt die schwarzhaarige Dame an der Kassa freundlich. Es
hätten aber bereits einige Leute angerufen, die wissen wollten, ob die
Ausstellung betroffen ist, bemerkt sie und fügt bestimmt hinzu: "Sie
ist es nicht."
Siehe auch:
Porträt Klaus Albrecht Schröder
Printausgabe vom Freitag, 26. Juni 2009
Kommentare zum Artikel:
27.06.2009 Vermutung
Pfusch verjährt. Ein versteckter Mangel nicht.
Horst Alpine
26.06.2009 Daran hab ich nicht gedacht
In einem ORF-Interview hat Herr Schröder sinngemäß gemeint: An die Gefahr eines solchen Wassereintritts hat niemand gedacht.
Ein
seltsamer Bauherr, könnte bei jedem einfachen Häuslbauer was lernen.
Aber wer mit dem Soravia-Wing in die Lüfte abhebt, kümmert sich wohl um
so triviale Dinge nicht.
Den Schaden hat wieder einmal der Steuerzahler. Vielleicht wird er von einem Teil des geretteten Depots "gedeckt"?
Quousque tandem...
Hofmann
26.06.2009 Ein Skandal
Was heißt hier Gewährleistung? Pfusch darf in so einem Fall nicht verjähren.
Franz Porr
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