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12.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Hubert Winter: Wunderland - Engholm Engelhorn: Gips | ||
Sie ist jung, sie ist schön. Sie ist einsam und träumt
vom großen Glück. Für die Foto-Serie "Electro Domestica" posiert Laura
Ribero (*1978) selbst als Dienstmädchen inmitten einer gutbürgerlichen
Kulisse, die nach und nach durch Beleuchtungskörper und Stellwände aus
Styropor als Studioset einer Telenovela erkennbar wird. In Kolumbien,
Riberos Heimat, werden täglich 20 dieser Seifenopern ausgestrahlt, die
Hälfte davon zur Hauptsendezeit. Stereotypes Motiv ist dabei das arme,
aber gut aussehende Mädchen, das sich in einen reichen Mann verliebt,
während die Familie des Mannes versucht, diese Liebe zu verhindern.
"Electro Domestica" erschöpft sich jedoch nicht in der simplen Anspielung
auf dieses mittlerweile auch in Europa nachmittagfüllende TV-Format.
Vielmehr dient es Ribero nur als Anhaltspunkt, um über die Konstruktion
von Bildern, Brüchigkeiten in der Bildkomposition, über Sehnsüchte,
Identität und gesellschaftliche Isoliertheit nachzudenken. In der 19-teiligen Serie "Looking for Wonderland" (13.000
Euro) verbindet sie Passagen aus Lewis Carrols "Alice im Wunderland" mit
Aufnahmen von Migranten in der Ruhrpottmetropole Essen. Textzitate wie
"Ich hab ein Recht zu denken", "Kein Platz mehr", "Erkläre dich
deutlicher" werden zu brisanten Statements dieser visuell unprätentiösen,
sensiblen Dokumentation, in der sich, mit Andreas Dunkel gesprochen, "das
kindliche Unverständnis von Carrolls Alice, ihr Erstaunen über die grotesk
anmutenden Rollenzuweisungen einer durch Fabelwesen repräsentierten
Erwachsenenwelt, zu einem fortdauernden Gefühl von Fremdheit und
Befremdung innerhalb der von identifikatorischen Brüchen geprägten
Sozialisierung junger Migranten und Migrantinnen in Deutschland"
verschiebt. Riberos jüngst entstandene Bilder aus der Reihe "Catch Tales"
(Einzelbilder je 700 €) erzählen dagegen ironisch von Raumeroberung.
Und sei's nur für den kurzen Augenblick der fotografischen Momentaufnahme,
nachts, im hübschen Kleidchen in einer Lagerhalle. (Bis 24. Juni,
Breite Gasse 17, Wien 7) Engholm Engelhorn: Gips"Grundeinkommen für alle" fordert Misha Stroj (*1974) in
seiner gleichnamigen Gips-Plastik ein und macht damit deutlich, dass
Erwerbsarbeit nur einen Teil der gesellschaftlich geleisteten Arbeit
darstellt. Denn auch Kunst, sofern am Markt noch nicht platziert, ist -
wie etwa Kindererziehung - zunächst eines: geistiges Kapital. Derart
Unmittelbares bietet die Schau im Übrigen nicht. Der in Wien lebende
Künstler slowenischer Herkunft gibt sich lieber kryptisch. Denn wie bloß
sollen wir das große, himmelblau angemalte Hütchen inklusive Schnürchen
dran zum Ziehen mit einer Ohrfeige-Szene aus Samuel Becketts "Company"
verquicken? Und wer kommt schon auf die Idee, dass die am Boden
verstreuten Holzreste ursprünglich als Wolkenkonstruktion Teil einer
Ausstellung in der Secession waren? Und die Künstlerschultern aus Gips?
Sie verdanken sich der Figur des Dieners in Tolstois "Der Tod des Iwan
Illjitsch". Seinem erschöpften Herrn bietet er diese als Beinablage an.
Misha Strojs Bezugsfelder sind so vielseitig, wie sie jegliche konkrete
Entschlüsselung verwehren. Und genau das ist des Pudels Kern. (Preise nur
auf Anfrage, bis 29. Juni, Schleifmühlgasse 3, Wien 4). Manisha
Jothady |
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