Wer ist Elke Krystufek? Sie ist die wasserstoffblonde
junge Frau, die in kurzem roten Kleid verloren vor der Fernsehkamera
steht. Sie ist die Nackte mit der blutenden Nase auf der Leinwand
dahinter. Sie ist die scheue Brünette, die bei Vernissagen ernsthaft
versucht, nicht aufzufallen. Sie ist das Mädchen, das 1994 während der
Eröffnung der Ausstellung "Jetztzeit" vor Hunderten Menschen öffentlich
masturbierte.
Was Elke Krystufek zum wahren Star unter Österreichs
jüngeren Künstlern macht, ist ihre Ungreifbarkeit, obwohl sie in Wien
wohnt und man wirklich alles von ihr zu kennen meint. Jeden Zentimeter
ihres Körpers bis in die intimsten Intimzonen, ihre Männer, ihre Wohnung,
den Inhalt ihres Kleiderkastens, ihre Gedanken, die sie auf ihre Bilder
schreibt. Und doch, am Ende des Tages, schlüpft einem diese von ihr als
"Kunstfigur" geschaffene tabulose Frau durch die Hände.
Wieviel an Fiktion kann ein Mensch denn aus einem
einzigen Leben hinausschleudern? Ist der Mensch Krystufek deckungsgleich
mit seinem Alter Ego in der Kunstwelt? Ein Gedanke, der einen ob des von
Krystufek so stark betonten Gegensatzes zwischen "privatem" und
öffentlichem Auftritt auch ebenso stark beschäftigt.
Mit Elke Krystufek hat Österreich endlich wieder eine
starke Künstlerin. Tendenziell wird sie mit ihren 32 Jahren zwar gern als
Nachwuchs bezeichnet, im jünger werdenden Kunstmarkt konnte sie sich aber
schon etablieren.
Mit ihrem streng durchgehaltenen Konzept und Stil hat die
Wienerin ein unverwechselbares Werk geschaffen, hat ihren Körper zur
idealen Projektionsfläche unserer Wünsche, Vorurteile und
gesellschaftlichen Probleme umgewidmet. 200 Arbeiten von Beginn der
neunziger Jahre bis heute werden zur Zeit in der Sammlung Essl unter dem
Titel "Nackt und mobil" gezeigt, geben so den bisher größten Überblick von
Krystufeks eindringlichem Konzept.
Mintgrünes Klosett
Mit spielerischer Sicherheit bedient sich Krystufek der
Medien, die sich dem Künstler heute bieten: Malerei, Photographie, Video,
Zeichnung, Collage, Fundmaterial verdichtet sie zu emotional aufgeladenen
Räumen. Sogar an Keramikarbeiten hat sie sich gewagt: Zwei Teller und ein
mintgrünes Klosett mit zwei Armen, bemalt mit den typischen
Selbstporträts, sind zwar vor allem skurril, zeigen aber die universale
Anwendbarkeit von Krystufeks System.
Für die Ausstellung wurden einige international
präsentierte Installationen rekonstruiert. Ein Wiedersehen gibt es etwa
mit den Kabinen aus zartem Stoff, in denen seltsam altkluge Puppen warten.
Sex, Mißbrauch, Liebe
Aus einem Walkman dringen Geschichten von Sex, Mißbrauch,
vergeblicher Liebe. Von den Wänden rund um die gespenstischen Kojen
starren Krystufeks Augen aus den Selbstporträts. Der Gesichtsausdruck
bleibt, nur Frisur und Accessoires ändern sich.
In dünnen Fäden rinnt in den Bildern zur Installation
"The Revolution Kind" (2001) die Farbe über das vertraute Gesicht. Wie
Striemen, wie dunkle Tränen. Hier findet man Kunst, die noch schockiert -
auch wenn man es gelassen auf sich wirken lassen kann: Regelblut an
Fingern, Gesicht, Geschlechtsteilen - photographiert und gemalt.
Fast lieblich wirken dagegen Krystufeks frühe
Selbstporträts. Und doch ist hier ihr Plan schon fertig angelegt. Noch auf
Deutsch schrieb Krystufek 1990 in "Selbst" neben ihre Gesichtszüge: "Die
wahre Freiheit passiert im Kopf und im Herz. Den Körper über das Hirn
reformieren oder umgekehrt. Revolution jedenfalls jeden Tag."
Bis 27. April. Di.-So. von 10 bis 19 Uhr, Mi. von 10
bis 21 Uhr.
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