21. Juni 2010 - 00:04 Uhr · Von Peter Grubmüller · Kultur

Otto Muehl – die fragwürdigen Posen eines Suchenden

Otto Muehl – die fragwürdigen Posen eines Suchenden

Vor sechs Jahren stritt Otto Muehl vor breiter Öffentlichkeit noch einmal alles ab, wofür er sieben Jahre lang im Gefängnis gesessen hatte. Zur Eröffnung der ihm gewidmeten Ausstellung im zweiten Untergeschoß des Wiener Leopold Museums ließ er späte Einsicht verlesen.

Er sei in der von ihm geleiteten AAO-(Aktionsanalytischen Organisations)-Kommune auf dem burgenländischen Friedrichshof „manchmal zu scharf“ gewesen, er habe Menschen „verletzt“. Er sei „auf alle Kommunarden sehr gestanden“, aber „die Stellungnahme der Jugendlichen damals im Gerichtssaal machte mich fassungslos. Ich wollte sie befreien und habe sie mit sexueller Überschreitung stattdessen überrumpelt und gekränkt“. Heute bereue er alles sehr.

Kunstsammler Rudolf Leopold besuchte Muehl einige Male im Zuchthaus, parallel dazu erwarb er rund 240 Werke des Künstlers, rund 80 großformatige Öl- und Acrylgemälde sowie 20 Papierarbeiten der Jahre 1962 bis 2000 sind nun in der Ausstellung zu sehen. Die aktionistischen Anfänge bleiben so gut wie ausgespart, Diethart Leopold, Psychotherapeut, Kurator und Sohn des Museumseigentümers, inszenierte etwa mit dem „Vinzent“-Zyklus (1984) vielmehr einen Farbenrausch, er ergänzte Siebdrucke, Materialbilder, Gemälde mit zentimeterdickem Farbauftrag oder Gefängnisbilder, deren sexuelle Botschaften von der Leinwand herunterschreien. Zumeist vor Kraft strotzend und doch nie am Ziel einer eigenen, unverwechselbaren künstlerischen Sprache.

Die Schau will sich auf die Darstellung von Muehl als eigenständigen Geist sowie auf dessen Kunst konzentrieren. Daran muss sie scheitern. Auch, weil sich Rudolf Leopold für diesen Muehl ohne dessen Inhaftierung wohl weder interessiert noch die Restbestände aus dem Friedrichshof gekauft hätte. Erst so kam die Sammlung zustande. Zum 85. Geburtstag (16. Juni) sollte Muehl in Erinnerung gerufen werden. Wie Leopolds Sammlung.

„Man kann einen Menschen nicht vom Künstler trennen“ , widerlegt unbeabsichtigt Muehls Agentin Danièle Roussel das Vorhaben des Kurators. Roussel ist seit 1976 Teil von Muehls stark verkleinerter Kommune in Faro (Portugal), wo der schwer an Parkinson leidende Künstler heute lebt. Muehl formulierte einst in seinem „Manifest der Kunst“: „Kunst ist die Antwort auf gespürte Wirklichkeit.“

Wie in seinem Leben legte sich Muehl auch in seinem Werk nie fest. Sein Werk bleibt ein beachtenswertes Potpourri, sein Leben die Pose eines Suchenden – zum Leidwesen anderer.

Info: „Otto Muehl“, Leopold Museum Wien, bis 4. Oktober, www.leopoldmuseum.org

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,416668
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