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Habsburgs Kunstraum „TBA21“: Türkisch, ehrlich, fleißig

15.04.2010 | 18:29 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Francesca Habsburg lässt ihren Wiener Kunstraum von türkischen Künstlern „belagern“. Auf Einladung natürlich. Sehr löblich. Sehr sophisticated.

Der Vergleich hinkte ein wenig: Francesca Habsburg blickte in die Runde und verglich die vollzählig anwesende Künstlerschar aus der Türkei mit der Übermacht, die 1683 Wien belagerte. Und von der „Habsburg-Dynastie“ doch noch aufgehalten werden konnte. Diesmal, müsste man eher sagen, ist die Habsburg-Dynastie gescheitert. Denn diesmal sind „die Türken“ bis in die Innenstadt vorgedrungen und haben das Palais Erdödy-Fürstenberg eingenommen. Und sie haben sich sofort getarnt.

„Tactics of Invisibility“ heißt die Ausstellung, die ab heute hier, in Habsburgs Kunstraum „TBA21“, zu sehen ist. 15 zeitgenössische Künstler mit türkischen Wurzeln sind vertreten, einige wenige davon sind auch in Wien schon bekannt. Kutlug Ataman zum Beispiel, der 2006 schon mit seiner Videoporträt-Installation auf Habsburgs völkerverbindendem Donauschiff in Wien anlegte. Jetzt bespielt er den wohl zauberhaftesten Wiener Ausstellungsraum – den Dachboden von Habsburgs Palais – mit der Dokumentation einer ziemlich esoterischen Eigenheit türkischer Kultur: Sechs schiitisch-arabische Menschen aus der Südostürkei erzählen in „Twelve“ von ihrem Wissen eines anderen, vergangenen Lebens, an das sie sich nur deshalb erinnern können, weil sie einen gewalttätigen Tod erlitten haben. Spooky.

Allein der Titel der Ausstellung bedingt schon den Hang zum Unheimlichen (und einen Hang zu Video und Film), der in dieser Auswahl, die nach Wien noch nach Berlin und Istanbul wandern wird, festzustellen ist. „Ghost“ heißt etwa die Installation der wie Ataman international erfolgreichen Künstlerin Ayse Erkmen. Man wird sie lieben – nachdem sie einem erklärt wurde. Denn was man sieht, ist erst einmal nur ein leerer Raum, in dem weiße Lautsprecher und Glühbirnen von der Decke hängen. Und die kleine Melodie, die man in Dauerschleife wie ein Mantra zu hören bekommt, ist ebenfalls recht kryptisch. Es ist der nur wenige Takte umfassende Kanon „Glück, Glück zum Neuen Jahr“, den Ludwig van Beethoven der Hausherrin, Gräfin Erdödy, widmete (mit der ihm ein Verhältnis angedichtet wurde). Angeblich, so erzählten sich spätere Palaisbewohner, hat das der Gräfin nach dem Tode wenig Glück bzw. Frieden gebracht...

 

„Sandra ich liebe dich“

In der heutigen Wiener (Stadt-)Geschichte wurde der in Deutschland geborene und lebende Nasan Tur fündig: In einer Performance zur Eröffnung sprühte er alle Sprüche, die er auf Wiens Hausmauern gefunden hat, in Rot auf die Wand. Bis aus „Sandra ich liebe dich“ und „I bring die um du Wixxa“ ein vergleichsweise beruhigendes rotes Quadrat wurde. Wieder mehr der (weiblichen) türkischen Geschichte widmet sich Inci Eviner. Sie irritiert unser orientalistisches Bild des Harems enorm: Erst bleibt alles so, wie man es sich vorstellt, auf der Leinwand erscheint ein Harems-Stich aus dem 18.Jahrhundert. Doch plötzlich beginnen die Figuren sich gar nicht grazil zu bewegen, sondern tun seltsame Dinge. Aus Frauenhort wird Irrenhaus. Das kommt der Sache wohl näher.

Die Melange aus Wiener und türkischen Geschichten ist jedenfalls spannend zu verfolgen, ist man bereit, sich einzulassen und sich zu informieren. Und in die Peripherie zu fahren. In einer Außenstelle in Ottakring fließen nämlich in Esra Ersens Arbeit die Welten ineinander: „Ich bin türkisch, ich bin ehrlich, ich bin fleißig“, müssen Volksschulkinder in der Türkei jeden Morgen singen. Dabei tragen sie schwarze Schuluniformen mit weißen Krägen. Laut Ersen alles zusammen der erste Schritt der nationalistischen Gehirnwäsche. In mehreren Städten (in Deutschland, Südkorea und zuletzt 2005 in Linz) ließ sie jeweils heimische Schulkinder die Uniformen eine Woche lang tragen und ihre Gedanken dabei niederschreiben. Ersen druckte sie auf die Uniformen, hängte diese zur gespenstischen Armee auf – und erzählt so sowohl von schneller Akzeptanz wie auch von dauerhafter Abwehr der Gleichmacherei. Ein Lehrstück. Globale eins, setzen.

Bis 15.August. Di–So 12–18Uhr, 1., Himmelpfortg.13, und Klaus-Engelhorn Depot, 16., Abelegasse10. Eintritt frei.


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