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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
17. Jänner 2007
17:57 MEZ
Bis 29. April

Link: foundation.generali.at  

Foto: Alexander Gray Associates, New York
Bruce Yonemoto und Raymond Petibon: "Kill the queen", 2005.

Wien, Generali Foundation : Liebe als Instrument der Kritik
Zur von Juli Carson kuratierten Ausstellung "Exil des Imaginären – Politik/Ästhetik/Liebe"

Kann Liebe in politisch turbulenten Zeiten als kritisches Medium fungieren? Diese Frage macht die Kuratorin Juli Carson zum Thema ihrer Ausstellung.


Wien – 1977 publizierte Roland Barthes sein Buch "Fragmente einer Sprache der Liebe", eine Montage aus eigenen Essays und einschlägigen Texten aus der Literaturgeschichte. Barthes' Auswahl folgt ganz offen subjektiven Kriterien. Verbindliche Ordnung zeigt sich in seinem Werk nur als oberflächliche Reihung des Materials nach dem Alphabet. Letztlich versucht Roland Barthes sich mit dieser Textsammlung am (Selbst-)Porträt eines Liebenden.

Das oftmals schwer übergewichtete "psychologische" Interesse an einer derartigen Figur, die biologisch gesehen an einer einseitigen Hormonfreisetzung sich je nachdem labt oder am nicht zu bändigenden Überhang leidet, sucht Barthes durch eine Strukturanalyse seiner selbst zu relativieren. Der Reiz der Arbeit liegt im durchaus nicht uncharmanten Versuch, ebenso Analytiker wie Gegenstand der Analyse zu sein. Eine letztlich stets ungültige Methode, die aber zumindest den Anteil des Sentimentalen und Rührseligen am Bild des Liebenden einigermaßen klein hält. Die Parallelität eines behaupteten wissenschaftlichen Umgangs und zwangsläufig subjektiven Selbsterlebens könnte sich womöglich als taugliches Mittel zur analytischen Kritik diverser Phänomene eignen.

Und damit sind wir weg von Barthes und bei einer zeitgenössischeren Praxis angelangt, die manche Künstler auszeichnen soll, wenn sie sich diversen gesellschaftlichen Vorgängen widmen.

Das Ausstellungsjahr 2007 eröffnet die Wiener Generali Foundation mit Juli Carson als Gastkommentatorin. Deren subjektive Einordnung einer Reihe von Künstlern in eine frei erweiterte Barthes-Nachfolge heißt "Exil des Imaginären – Politik/Ästhetik/Liebe" und sucht "Überlegungen zur Liebe mit Konzeptualismus als Medium einer umfassenden kulturellen/ästhetischen Kritik zu verbinden".

Mit der Frage, ob Liebe in politisch turbulenten Zeiten als kritisches Medium fungieren kann, werden vielfältig kritische Umstände auch angenommen. Und von Künstlern bzw. Künstlergruppen wie von Andrea Geyer, Ken Gonzales-Day, Sharon Hayes, Adrià Julià, LTTR, Dorit Margreiter, Stephanie Taylor, Kerry Tribe, Bruce Yonemoto, Dolores Zinny / Juan Maidagan auch aufgespürt.

Jedem Projekt soll die Frage des Begehrens als Vehikel für die eigentliche Thematik dienen, zur Auffindung und stets kritischen Analyse eines paradigmatischen kulturellen Ereignisses, wobei bzw. wodurch "die dialektische Trennung von politischen und lyrischen Genres endlich aufgebrochen werden soll". Na ja. Jedenfalls lässt sich – derart gerüstet – offenbar einiges über die Wege der Kunst zu Wahlkampfpolitik und Immigration oder zum Vietnamkrieg oder zu der aktuellen Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika oder den Ausdrucksmöglichkeiten von Gesang, Tanz, Standbild- und Filmproduktion erfahren.

Nicht kritisch angegangen wurden blaue Blumen, rote Rosen, der Mai oder etwa handschriftlich verfasste Herzergießungen. Juli Carson ist Kunsthistorikerin, Kunstkritikerin und Kuratorin und lehrt am Department of Art der University of California, Irvine, wo sie auch die University Art Gallery leitet. Seit 2004 ist sie Mitherausgeberin der Kunstzeitschrift artUS. (Markus Mittringer/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.1.2007)


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