767--Lichtschüsse
Es ist so dunkel, dass man
sich gar nicht rein traut! Nicht in die schlicht, aber ungemein präzise
innenarchitektonisch umgebaute Binding-Brauerei, da ist alles klar (bis auf den
labyrinthischen Parcours), sondern in den Raum von Tania Bruguera. Plötzlich,
unerwartet und um die Ecke ein gleißend helles Licht, pure Energie, die einem
die Pupille so eng werden lässt, dass man wieder nicht rein kommt. Wer es doch
schafft, in dem die Augen abgedunkelt und der Blick nur indirekt auf die Wand
gelenkt wird, hört Personen agieren, so real, als würden hinter den gleißenden
Scheinwerfern wirkliche Akteure laufen und mit Metall hantieren. Wer sich nicht
mit der künstlerischen Intention aufhält (die Geräusche stammen u.a. von Waffen,
die zerlegt werden, Kassel war ein Ort der Waffenindustrie ...), steht inmitten
eines radikalen, kraftvollen Szenarios, das ohne Pathetik, im Hell und Dunkel
der Interpretation/Irritation von Welt auskommt (Abb. A).
Das ist
bei Asymptote (Abb. C), der Star der Cyperspace-Architekten heißt Hani Rashid,
zwar mit mehr Technik und virtuellem Tenor gewollt, greift jedoch schwerer im
verspiegelten Obergaden der Kapelle der Postmoderne und Simulation. Hier kann
das Subjekt sich nicht mehr sehen - wenn es das Licht als Transformation von
Raum erkennt. Wo ist die Physis, ließe sich seicht fragen, und wir hören die
Rufer im Fernen schreien, im Widerschein des Objekts, nur in der Reflexion.
Da ist Cerith Wyn Evans (Abb. B) ganz nah dran und doch schon
weiter - sein Raum darf als der schönste der ganzen d11 gesehen werden. Die
Reflexion eines computergesteuerten (er setzt W. Blake Textfragmente in
Morsezeichen um) riesigen Bühnenstrahlers auf eine fette Discokugel wirft so
bezaubernd Lichtflecken auf die Wände, dass der dunkle Spot an der Wand wie eine
Illustration der Perfektion des Nichts wirkt. Und die Palme schafft entgegen
aller Romantik der Lichtgestalten so richtige Stimmung. Sie hält fest, was die
Flüchtigkeit des Augenblicks für immer verliert - und was einen schwindeln
lässt, wenn der Raum nur geschaut wird - eine Wohltat des Lichts.
Im Fridericianum werden zwei gegenteilige Facetten der dunklen Seite mittels
der Gefangenschaft und der Kraft der Kunst gezeigt. Da ist Jeff Wall, ein Bild,
eine klare Aussage: The Invisible Man nach dem gleichnamigen Roman von Ralph
Ellison, in der sich ein Mann aus der Welt zurückzieht und sich 1369 künstliche
Sonnen (Abb. D, Detail)in sein Kellerloch bastelt. Und da ist noch eine
Erscheinung: Alfredo Jaar hat nach Leucht-Texten über Nelson Mandela und
Machenschaften des Apartheidregimes (alle über brutale Lichtphänomene) und einem
langen Gang einen hell leuchtenden Lichtkasten wie ein leeres Bild gestellt
(Abb. E).
Gregor Jansen |
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