08.01.2002 19:57:00 MEZ
Die staatliche Kunstsammlung Artothek wurde bereits still privatisiert
Und ein VP-naher Verein übernimmt Organisation

Wien - Kunststaatssekretär Franz Morak (VP) hat die Administration der staatlichen Kunstsammlung Artothek (Inventarführung, Leihverkehr und Lagerung) einem Verein namens "Gesellschaft zur Förderung der Digitalisierung des Kulturguts" übertragen. Und zwar bereits mit 1. Jänner. Noch am Montag wurde diese Tatsache dem STANDARD gegenüber verschwiegen.

Als Obmann fungiert der Arzt Gerd Zechner, als Generalsekretär der Steuerberater Christian Pultar, der ehemalige Assistent von Johannes Ditz. Pultar hatte sich 1999 für den Finanzvorstand der Post AG beworben. Morak zog ihn als Berater für die Künstlersozialversicherung bei und setzte ihn als Controller für das Theater in der Josefstadt ein.

Die Privatisierung kommt nur auf den ersten Blick billig: Pultars Verein erhält 109.000 Euro (1,5 Mio. S) jährlich. Bisher gab der Bund 225.000 Euro für das Personal und den Prunksaal aus, in dem die Objekte gelagert wurden. Diese günstige Kalkulation wurde möglich, weil Pultar aus dem EU-Beschäftigungsprogramm Equal in den nächsten fünf Jahren je 125.000 Euro erhält. Die Kosten sinken also nur für das Staatssekretariat, nicht aber für den Steuerzahler.

Eine Ausgliederung respektive "Auflösung" der Artothek legte der Rechnungshof in seinem Bericht vom Dezember 2001 nahe, da er auf geradezu ungeheuerliche Schlampereien gestoßen war. Bereits im April 2000 hatte der STANDARD über verschwundene Kunstwerke in der Artothek berichtet, z. B. über das Gemälde Lokomotivenfriedhof von Ernst Höffinger. Laut Manfred Matzka, dem interimistischen Kunstsektionsleiter, sei das Bild ans Gymnasium Tulln verliehen worden, dort verliere sich die Spur. Rechtliche Schritte setzte man nicht.

Wie viele Kunstwerke abhanden kamen, lässt sich noch immer nicht beziffern. Erst im Oktober soll die Erfassung der knapp 26.000 Kunstwerke samt Standortüberprüfung abgeschlossen sein. Zumindest das Kanzleramt sei clean: Alle 448 entliehenen Objekte wären am Ballhausplatz aufgefunden worden.

Der RH beanstandete zudem, dass 37 Kunstwerke verschenkt wurden, darunter ein Bild von Max Weiler (Schätzwert: 58.000 Euro): Die Verwendung von Repräsentationsgeschenken widerspreche den Zielsetzungen der Artothek. Matzka versprach, bekannt zu geben, welcher Politiker welchem Politiker welches Bild als Präsent überreichte.

Marion Pichler, die bisherige Leiterin der Artothek, durfte für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stehen.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 1. 2002)


Quelle: © derStandard.at