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Illustration

Röhrende Karosserien

(cai) Vrouumvrouum! Das sollte jetzt keine anzügliche Bemerkung sein, sondern der Brunftschrei der Pferdestärken. So hört es sich an, wenn sich die Hengste (jiiiiihaaa!) unter der Motorhaube aufbäumen. Denn das Imponierorgan des Autofahrers ist bekanntlich – der stramm emporgereckte Mittelfinger? Ja, der auch, aber ich mein’ den Gasfuß.

Und in den kann sich Michael Endlicher dermaßen hineinversetzen, dass seine Autokennzeichen vor lauter draufgängerischer Onomatopoesie (zu Deutsch: Lautmalerei) nur so strotzen. Und nicht so uninspiriert bürokratisch sind wie die herkömmlichen . "Nnnnnnnjooooo" – da droht sicher einer dem Rivalen mit dem Dopplereffekt, also ihn rasant zu überholen. Auf dem Asphalt geht es ja immer bloß um das Eine: Wer hat den längeren – Mittelfinger? Nein: den längeren Bremsweg. Zugelassen sind die Kennzeichen nicht, doch das ist eben der kleine Unterschied. Zwischen der Kunst und der Straßenverkehrsordnung. (Und die Wiener können sich ja mit dem Wunschkennzeichen "W-RUMM 1" behelfen.)

Dann die "Dramenbleche". Das ist keine Umschreibung für "Automobile", auch wenn Letztere laufend in aufwühlende Vorfälle zwischen P-Neid und K-Angst (Parkplatzneid und Karambolage-Angst) verwickelt sind, sondern Minimal-Lyrik auf Blechtafeln. Endlicher hat das Alphabet von 1 bis 26 durchnummeriert und kombiniert je drei Wörter, die die selbe Quersumme haben. Meist gelingt es ihm, Zahlenfetischismus in g‘scheit konzeptuellen Humor umzuwandeln. "Rauch, Qual, Abschied": Da geht’s gewiss um eine Nichtraucherin, die nach einem Hust-Martyrium den Kaffeehäusern entsagt. "Marxismus, Wiedergeburt, Südseeinsel": Ein Antikapitalist bucht bei einem buddhistischen Reiseveranstalter eine Reinkarnation nach Tahiti. Analverkehr, Atheismus und Antimaterie will ich mir freilich nicht gemeinsam in einem Raum vorstellen.

Galerie Peithner-Lichtenfels
(Sonnenfelsgasse 6)

Michael Endlicher

Bis 14. April
Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr
Sa. 10 bis 16 Uhr

Markige Buchstaben.

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Ergebt euch dem Humus

(cai) Die Materie hat sowieso immer recht. Jedenfalls können wir ihr nicht entkommen. Am wenigsten die Bildhauer. Und wenn Asta Gröting von einem frisch gepflügten Acker einen Abguss macht und ihn als sinnlich rustikales Andachtsbild an die Wand heftet (auf dass wir in die Scholle, die uns ernährt, hineinmeditieren), dann erklärt sie damit den abstrakten Expressionismus eines Bauern, der im Humus zünftig herumwühlt, zum Kunstwerk. Pathos und existenzielle Wucht. (Was einem aber nicht peinlich sein muss). Derselbe Boden liefert quasi auch den Rohstoff fürs andere Opus: 100 Erdäpfel, grob geschält (also bildhauerisch bearbeitet) und in Bronze gegossen. Die Krume füttert eben auch die Künstler. Alles stimmig und einprägsam. Einfache Handlungen wie Pflügen und Erdäpfelschälen bekommen einen religiösen Beigeschmack. Und einen künstlerischen.

Galerie Martin Janda
(Eschenbachgasse 11)

Asta Gröting

Bis 20. April
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

Sehr erdig.

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Verdauungssäfte

(cai) Den tortenrunden Käseschachteln, die Willi Siber so ungeniert kulinarisch mit bunten Harzen übergossen hat (malerisch, nicht plakativ zuckerbäckerisch), möchte man gleich die Glasur ablecken. Und die "Sweeties" erst, wo Holzspäne wie Knusperstückchen aus dem Sirup herausflirten! Na ja, ein bissl bedenklich ist es schon, wie reißerisch er da an die Speicheldrüsen appelliert. Bei den archaischen Objekten von Jupp Linssen dagegen kriegt man höchstens Lust, mit den Händen zu schauen (nicht mit der Zunge), wenn der das Tafelbild raffiniert brutal in Bastelarbeiten von heimwerkerischen Ausmaßen verstrickt.

Galerie Hrobsky
(Grünangergasse 6)

Jupp Linssen, Willi Siber

Bis 14. April
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

Lecker.

Mittwoch, 11. April 2007


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