Quer durch Galerien
Die Müllabfuhr macht Inventur
Von Claudia Aigner Es ist sehr funktionalistisch und an
mindestens einer Stelle kann man es betreten. Das ist eindeutig die
Jeanhose. Kein Zweifel. Oben ist der Haupteingang und unten hat sie zwei
Ausgänge für die Füße. Und Fluchtweg ist baupolizeilich ja keiner
vorgeschrieben. Und rationalistisch, geradezu mathematisch präzise ist sie
auch: zwei Hosenbeine für zwei Extremitäten.
Das Ding, das ich meine, hat einen eindeutigen,
sachlichen Baukörper (also doch Pommes frites? Denn was ist eindeutiger
als so ein Erdäpfelstangerl?). Und es hat eine möglichst funktionsgerechte
Formgebung in allen Details. Das spricht ebenfalls für die Pommes frites,
die für den Schnellesser konstruiert sind und sich ohne größere
Anstrengung, nämlich mit zwei Fingern in den Verdauungsapparat einführen
lassen und so fettig sind, dass sie die Speiseröhre in immer neuer
Bestzeit hinunterrutschen. Andererseits: In Pommes frites kann man
nicht hineinspazieren. Da hat man ja noch eher vor einem Big Mac das
Gefühl, während man das Gesicht in ihn vergräbt und man sich in seinen
Untiefen verliert und es einem schwarz und fettig vor Augen wird, man
würde ihn jetzt geradewegs betreten, den Big Mac, der für die Kiefer einer
Pythonschlange dimensioniert ist, für Unterkiefer zum Aushängen. Und
obendrein sind bei einem Big Mac, der uns die Sättigung mittels
Biofeedback anzeigt (durch Rülpsen), die konstruktiven Elemente offen
sichtbar, was Architekten schon Brutalismus nennen würden. Und im Grunde
genommen erfüllt der Big Mac doch bloß die Sehnsucht des Städters nach dem
Einssein mit der Natur, indem er ihm eine stark abstrahierte Genreszene
vorsetzt: Zwei Rinder (extrem reduziert) im Grünen (beim Salat),
eingeklemmt zwischen einer lappigen Erde und einer sesambestreuten
Himmelskuppel. Trotzdem wollte ich eingangs eigentlich nur auf den
"Internationalen Stil" hinaus, einen Terminus, der für Gebäude geprägt
wurde, deren Gestalt sich allein aus der Funktion ableitet. Und das trifft
eben auch auf Pommes frites (die Meister der schmucklosen Existenz), Blue
Jeans und - bedingt - auf den Big Mac zu. Und auf die Schachteln, die
unsere Warenwelt Stück für Stück einpacken. Wohl deshalb, weil sie ja auch
irgendwie zum internationalen Stil gehören, verteilt Hendrik Krawen
riesige Verpackungskartons wie Häuser in seinen spartanischen
"Stadtveduten" und lässt die kleinen Menschlein verloren dazwischen
herumkrabbeln.
Galerie Engholm Engelhorn: Wie Manna vom
Himmel
Krawen (bis 23. Februar in der Engholm Engelhorn
Galerie, Schleifmühlgasse 3) hat seine Bildwelt spärlich eingerichtet. Vor
einem lakonisch monochromen Hintergrund stehen als einzige "Möbelstücke"
überdimensionierte Straßenlaternen vom Typ "ehemalige DDR" herum (und
Laternen und Glühbirnen sind bekanntlich die Voraussetzung dafür, dass
sich die Menschheit vom Tag emanzipieren konnte und Nachtschichten
einlegen kann beim Geldausgeben), und Krawen hat besagte
"Architektur-Dummys" aus Pappendeckel malerisch ausgestreut, als wären sie
wie Manna vom Himmel (zum Beispiel aus dem Schlitten des Weihnachtsmanns)
gefallen. Vermutlich sind aber Aufschriften wie "zerbrechlich" keine
Anspielung auf die weltweiten gläsernen "Büroschachteln", die ein
beliebtes Symptom der Urbanität sind und auf denen freilich nirgends der
benutzerfreundliche Hinweis "Vorsicht Glas" steht oder "Fragile - handle
with care" (etwa als Verhaltensregel für die mit Besenstielen bewehrten
Putztrupps oder für Büroangestellte, damit sie in der Nähe der
Glasfassaden keine lustige Schlacht mit Bürobedarfsartikeln veranstalten).
Die vereinzelten klitzekleinen Personen, die er wie den Rest der
"Einrichtungsgegenstände" mit höchster Akribie malt (Grau in Grau), stellt
Krawen gewohnheitsmäßig auf den unteren Bildrand. "Adam und Eva"
beispielsweise. Eines ist sicher: Es ist nach dem Sündenfall. Weil die
beiden bereits einen Kleiderschrank daheim haben, diesen
Erste-Hilfe-Kasten, der das Gegenmittel gegen Schamgefühle, ausgelöst
durch zu großzügige Nacktheit, enthält: Gewand. Ein andermal verwischen
zwei Straßenkehrer die Spuren der Wegwerfgesellschaft, die es oft nicht
einmal bis zum nächsten Mistkübel schafft. Eine Form der Inkontinenz: Man
kann den Abfall "nicht halten", sondern muss ihn an Ort und Stelle einfach
fallen lassen. Und Krawen hat die Plastikflaschen und Papierln so
gewissenhaft abgemalt, er hat regelrecht Inventur in dem Haufen gemacht.
Ist das nun surrealistische Pop-Art (wegen der irrationalen
Größenverhältnisse zwischen Konsument und Verpackungsmaterial)? Oder hat
Krawen das Kunststück vollbracht, die Einsamkeit der Farbe Rot oder Grün
(anfangs sind seine Bilder ja monochrome Farbtafeln) noch zu steigern,
indem er entfremdete und vereinsamte Verbraucher drin umherirren lässt?
Galerie Chobot: "Aber ich bin auch kein Arzt"
Er ist
seinen Bildern behilflich, sich selber zu malen. Legt er seiner leeren
Leinwand die Farben hin und sagt: "Bedien dich"? Nein, denn Peter Skubic
(bis 19. Februar in der Galerie Chobot, Domgasse 6) besitzt womöglich gar
keine Leinwand. Er macht "kubistische" Spiegelbilder, indem er spiegelnde
Stahlplatten, die an der Rückseite eingefärbt sind, in komplexe räumliche
Situationen bringt. Damit sich dann unentwegt Farben und Raum darin
verfangen und sinnlich Fangen spielen und die Form "entrücken". Manch
"Wandstück" könnte gar ein aufgeklappter Flügelaltar sein. Ein
ikonoklastisches Altarbild (aber nur so lange kein Gläubiger hineinschaut
und dabei ein Selbstporträt von sich macht). Skubics Broschen sind
dasselbe im Kleinformat. Nur hängen noch überall metallische Fäden weg,
die sich sonst an Angelschnüren herumtreiben. Skubic: "Nein, ich angle
nicht, aber ich esse gerne Fisch." Die Broschen sind intimer, aber
deswegen nicht gleich autobiografisch. Und die Spiegelflächen stützt er
hier übrigens mit abgesägten Spritzennadeln ("aber ich bin auch kein
Arzt"). Also mir bereitet er höchste Schaulust mit dieser Mischung aus
Präzision und "Eigenleben". Aber ich muss ihn enttäuschen: Die
Metallfäden, die gegen Grapscher und ihre Fingerabdrücke schützen sollen,
animieren erst recht zum Streicheln.
Galerie Gerersdorfer:
Statt Gummibärchen zu sortieren
Keine Sorge, ich werde das
gestische, skripturale Treiben des Hans Staudacher jetzt nicht mit dem
lebhaften Reviermarkierungsverhalten einer Hauskatze vergleichen oder mit
einem Kater, der Gummibärchen nach Farben sortiert (obwohl ich es
natürlich könnte). Nur so viel: Er hat seinen Spieltrieb nicht verloren
und "dichtet" mit dem Pinsel mit gewohnter schwungvoller Sicherheit.
Manchmal "japanischer" (karger), dann wieder fülliger ("barocke"
Gedichte). Die Galerie Gerersdorfer (Währinger Straße 12) zeigt bis 19.
Februar, dass er sich seit den sechziger Jahren "gehalten" hat.
Erschienen am: 11.02.2005 |
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Ausstellungen vom 12. bis 18.
Februar
Quer durch Galerien
Zerstörung und Wiederaufbau des Stephansdoms
Kunstsinnig
Spanien: Kunstmesse ARCO eröffnet
Fluchtpunkt in Frankreich
Architekturwettbe werb für Musiktheater startet bald
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