21.08.2003 01:09
Ganz schön kryptisch
Code ist
Gesetz, Code ist Kunst, Code ist Leben: Beträchtliche Bandbreite bietet die
heurige Ars Electronica in Linz - Foto
Code ist Gesetz, Code ist Kunst, Code ist Leben: Der Untertitel
zur heurigen Ars Electronica demonstriert die Bandbreite, die das Linzer
Festival diesmal bietet. "Code - Die Sprache unserer Zeit" verfügt über einen
großen historischen Hintergrund.
Linz - Allein 13 verschiedene Bedeutungen listet das englische
Internetwörterbuch LEO beim Begriff "Code" auf. Nicht nur in der Linguistik und
bei Computersprachen sind Codes zu knacken, auch bei der Entschlüsselung der
Gene. Code meint aber auch ein Regelsystem im Sinne von moralischem oder
kulturellem Code. Ist Code viel mehr als ein Modewort, ein Begriff, der die
computerisierte Gesellschaft charakterisiert? Eine Lingua franca?
Ja,
Code: The Language of our time, sagen die Verantwortlichen der Ars Electronica,
des Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft, und beziehen sich auf
Code als Kodex und Regelwerk sowie als Zeichensystem. Das von 6. bis 11.
September stattfindende Linzer Festival steht unter diesem Motto, dessen
Weitläufigkeit vieles bedeuten kann, "inflationär wie fraglich" sein könnte, wie
etwa Festivalteilnehmer Friedrich Kittler schreibt.
Der deutsche
Medientheoretiker weiter: "Code hieß von Kaiser Theodosius bis zum Empereur
Napoleon schlicht das gebundene Gesetzbuch." Die Befehle der Kaiser, so Kittler,
hießen auch "Codicilla, kleine geschälte Blöcke aus Holz, in deren
Wachsbeschichtung sich schreiben ließ".
Die Ars fokussiert (im
Untertitel) auf drei wesentliche Kerngebiete: Code und Gesetz, Code und Kunst,
Code und Leben, wobei sich alle drei überlappen können. Ist ein genialer
Computerprogrammierer (meist männlich) nicht auch so etwas wie ein virtuoser
Performer? Oder ist ein Kunstschaffender, der Software benutzt, nur genau so
gut, wie sein Werkzeug es erlaubt, also ein Demonstrator von
Technik?
Inwiefern beeinflusst, reguliert und normiert etwa der
Maschinencode, der quasi in Form von Monopolen verwaltet wird, unsere
Gesellschaft? Logische, alles andere als "objektive" Programmiersprachen
verleiten dazu, sie auch auf das Leben und dessen Bausteine
anzuwenden.
Verschlüsselt
Obwohl heute so überall präsent,
ist nichts so neu, wie es scheint. Codes haben Schlachten entschieden und
Menschenleben gerettet: Herodot zufolge sicherte die Geheimschrift der Griechen
ihnen im 5. Jahrhundert die Freiheit vor der Sklaverei. Kryptografie wurde schon
weit vor der Computerisierung betrieben, schon weit vor deutschen
Enigma-Verschlüsselungsmaschinen (die schließlich Alan Turings Proto-Computer
enträtselte).
Menschen schufen sich Geheimsprachen und -zeichen, welche
etwa von der Obrigkeit, etwa der Kirche, als unverständlich bzw. harmlos
bewertet wurden. Auch Hieroglyphen stellen eine Art Sprachcode dar, selbst das
römische Zahlensystem verwendet Codes für Ziffern (1000=M, 500=D, 100=C etc.)
Dass das ganze Thema seit der Verschlüsselung von Computerdaten
populärwissenschaftliches Interesse hervorruft, beweisen etwa Bücher wie Simon
Singhs Geheime Botschaften. Die Kunst der Verschlüsselung on der Antike bis in
die Zeiten des Internet (Engl. The Code Book, 1999). Hier wird u. a. der
Renaissance-Universalkünstler Alberti als ein genialer Geheimschrifterfinder
vorgestellt, eine Schrift der Freimaurer ebenso wie die Erfinder des
Datenschutzprogrammes PGP (Pretty Good Privacy).
Der binäre Code, das
Zahlensystem, mit der sich jede Zahl mit 0 und 1 ausdrücken lässt, geht auf den
deutschen Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibnitz zurück. Praktische Anwendung
unter anderem: das omnipräsente Strichcode-System (Bar-Code), ein einfach
aufgebauter Schlüssel für den Zugriff auf elektronische Datenbanken.
Im
Tierreich heißt die Verschlüsselungstaktik Mimikry - sie soll das Überleben
sichern. So etwa verpuppt sich eine Raupenart in einem zusammengerollten Blatt,
wobei zuvor andere Blätter angeknabbert werden, um gleichfalls einzurollen. Der
Vogel, welcher diesen Code knackt, wird mit Beute belohnt.
Natur und
Biologie: Die Entdeckung des chemischen Codes des Genoms legte den Grundstein
auch für die Biologie des 21. Jahrhunderts. "Die grundlegende Information, durch
die Leben sich hält und entwickelt, ist seit Milliarden Jahren als
buchstabencodierter Text niedergeschrieben", heißt es in der Zeit zum
Thema-Spezial 50 Jahre Doppelhelix, "nicht mit symbolischen Zeichen aus
Druckerschwärze auf Papier, sonder als Abfolge von vier chemischen Molekülen (A,
C, G, T) im Treppengerüst der Helix-Wendeltreppe".
So inflationär der
Begriff Code also erscheint, so konkret wirkt er in den einzelnen Fachgebieten.
Kein schlechter Ausgangspunkt für die Ars. (DER STANDARD, Printausgabe,
21.8.2003)