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Eine seltene Chance – vergeben

23.10.2008 | 18:14 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

In personellen Fragen hat Kunstministerin Claudia Schmied nie lang gezaudert und auch unbequeme Entscheidungen getroffen, erinnern Sie sich etwa an Shicoff-Gate.

Bei inhaltlichen Entscheidungen ging die Ministerin da um einiges zögerlicher vor und verwickelte sich in elendslange Debatten, anstatt eine – sicher risikoreichere – kulturpolitische Vision zu entwickeln und zu vertreten. Aber woher hätte sie diese über Nacht auch nehmen sollen?

Diese Grundzüge ihrer Ministerphase werden sich unbarmherzig gerade in Österreichs Beitrag zur Biennale Venedig widerspiegeln. Auch hier sind die handelnden Personen ausgezeichnete, aber eine andere Botschaft als „Vielfalt“ werden sie im genau dadurch gekennzeichneten Schwarm nationaler Selbstdarstellungen in den Giardini wohl nicht auszusenden vermögen.

Statt wie üblich einen (männlichen) Kommissär, ernannte Schmied diesmal nämlich zwei Kommissärinnen, beide von tadellosem Ruf, die feministische Konzeptkünstlerin VALIE EXPORT und die Kuratorin Silvia Eiblmayr. Welche Message dadurch vermittelt wird, möchte ich aus Pietät gerade diesen verdienten Personen gegenüber ersparen. Die Optik erinnert aber fatal an die beiden ersten weiblichen Biennale-Direktoren, María de Corral und Rosa Martínez, die 2005 ebenfalls zu zweit antreten mussten. Doch nicht genug der Kompromisse: EXPORT/Eiblmayr suchten nicht wie üblich einen (männlichen) Biennale-Künstler aus, sondern gleich vier: Elke Krystufek, Dorit Margreiter, Lois und Franziska Weinberger.


Alle haben zur Zeit wichtige Ausstellungen in Österreich – Krystufek bei Camera Austria, Dorit Margreiter im MAK, die Weinbergers im Lentos. Will man Verbindendes suchen, kann man höchstens sagen, dass es sich um alles andere als unterkomplexe Positionen handelt. Ihre Zusammenführung wird zwar wenig Sinn machen, aber fürs Publikum eine Herausforderung darstellen. Wirklich ärgerlich aber ist, dass alle es mehr als verdient hätten, diese strahlkräftige internationale Plattform alleine bespielen zu dürfen. So ist zu befürchten, dass diese seltene Chance durch angestrengte Korrektheit vergeben worden ist.


almuth.spiegler@diepresse.com


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